Umfrage zeigt dramatische Lage in Handel und Gastgewerbe

Umfrage zeigt dramatische Lage in Handel und Gastgewerbe

Umfrage zeigt dramatische Lage in Handel und Gastgewerbe

Oldenburg. Die Corona-Pandemie hat im Oldenburger Land zu einer gespaltenen Wirtschaftsentwicklung geführt. Während die Industrie im Oldenburger Land nur mit einem leichten Minus abgeschlossen hat, stehen andere Wirtschaftszweige still. Die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer (IHK) stellte am Montag, 29. März neue Wirtschaftsdaten mit Details vor.

„Unsere Arbeit als IHK steht – wie einen Großteil des vergangenen Jahres – unter dem Vorzeichen von Corona: Da ist einerseits die intensive Beratung von Unternehmen, andererseits die oftmals langwierige und zähe Politikberatung“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Hildebrandt. „Mit Informationen über die Lage in den Unternehmen haben wir die politischen Gespräche in den letzten Monaten gefüttert“. Es ging vor allem darum, auf die Schwachstellen der Hilfsprogramme und das mangelnde Tempo bei der Umsetzung hinzuweisen und Änderungen einzufordern.

Der Industrieumsatz in den drei kreisfreien Städten und sechs Landkreisen des Oldenburger Landes ging 2020 nur um 1,9 Prozent auf 23,8 Milliarden Euro zurück. Zum Vergleich: niedersachsenweit war er um 10,8 Prozent rückläufig. Die Spanne in der Region reicht von einem Umsatzplus von 7,7 Prozent in Delmenhorst bis zu einem Minus von 17,7 Prozent im Landkreis Friesland. Der Auslandsumsatz der hiesigen Industrie betrug 6,4 Milliarden Euro (minus 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Die Exportquote, also der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz, betrug 26,8 Prozent und blieb damit nahezu unverändert.
Den Grund für das im Vergleich gute Abschneiden des produzierenden Gewerbes sieht Björn Schaeper, IHK-Geschäftsführer für den Bereich Wirtschaftspolitik, in der Bedeutung der Ernährungsbranche. Sie hat beim Umsatz um 1,7 Prozent zugelegt und jeden zweiten Euro beim Industrieumsatz erwirtschaftet. Auch die Bauwirtschaft erzielte ein Plus (2,5 Prozent).

Für Handel, Gastgewerbe und Dienstleistungswirtschaft veröffentlicht das Land Niedersachsen keine regionalen Umsatzdaten. Um ein Lagebild zu bekommen, hat die IHK deshalb im März eine erneute (nicht-repräsentative) Blitzumfrage mit 238 teilnehmenden Betrieben durchgeführt.

Fast jeder zweite Befragte musste sein Geschäft coronabedingt schließen. Die Umfrage spiegelt auch eine drastisch gesunkene Nachfrage, die Stornierung von Aufträgen und Engpässe bei der Zulieferung wider. Die Folgen sind Rückgänge bei Eigenkapital (38 Prozent der Befragten) und Liquidität (36 Prozent). 11 Prozent der Firmen sehen sich sogar von Insolvenz bedroht – im Gastgewerbe (Hotel, Restaurants und Gaststätten) sind es sogar 30 Prozent.

Während mehr als jeder zweite Befragte Investitionen verschieben oder streichen will, planen vornehmlich Einzelhandel und Gastgewerbe, Personal abzubauen. Vor allem Dienstleister und Einzelhandel erklären, die Online-Präsenz und Digitalisierung zu stärken. 54 Prozent der Betriebe haben staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch genommen, im Einzelhandel 77, im Gastgewerbe sind es über 90 Prozent.

Carola Havekost, Geschäftsführerin der IHK für Handel, Dienstleistungswirtschaft und Tourismus: „Die Branchen sind seit Monaten ohne jegliche Öffnungsperspektive. Die Unternehmen haben Hygienekonzepte entwickelt und eingeführt, sie fragen die Politik: Was muss noch geschehen, damit wir öffnen können? Ich gehe davon aus, dass die Modellprojekte zur Öffnung, die von intensiven Testungen begleitet werden, zeigen, dass die Branchen keine Pandemietreiber sind. Dann sollten die Projektgebiete so schnell wie möglich ausgeweitet werden.“

„Was soll die Politik tun?“, fragte die IHK in ihrer Umfrage. Unverändert steht „Bürokratieabbau“ an erster Stelle bei den Forderungen der Wirtschaft (72 Prozent), gefolgt von „Digitalisierung vorantreiben“ (36 Prozent) und „Nachsteuern bei finanziellen Hilfen“ (33 Prozent).

„Die Corona-Krise zeigt uns schonungslos schon lange bekannte strukturelle Defizite“, betonte IHK-Präsident Gert Stuke. „Wir arbeiten in Deutschland mit mangelnder Infrastruktur und viel zu schwerfälligen Entscheidungs- und Verwaltungsprozessen. Wir brauchen zügigere Planungs- und Genehmigungsverfahren, eine digitalisierte Verwaltung und endlich Bürokratieabbau!“

Die Zahl neuer Ausbildungsstellen ist 2020 im IHK-Bereich um 8,4 Prozent auf 3897 zurück gegangen. Hier steht das Oldenburger Land etwas besser da als ganz Niedersachsen. Hauptgeschäftsführer Hildebrandt ist aufgrund der Rückmeldungen der Betriebe zu ihren Ausbildungsabsichten für dieses Jahr jedoch zuversichtlich. Die IHK steht permanent in beratendem Kontakt mit den ausbildungswilligen Betrieben. Hildebrandts Appell an die Unternehmen: „Nutzen Sie alle Möglichkeiten für eine Ausbildung – wir unterstützen Sie dabei! Geben Sie damit den jungen Leuten eine Chance.“ Es gebe weiterhin einen Fachkräftemangel.

Bei der IHK wird im Mai die Vollversammlung neu gewählt. Für die 76 Sitze stellen sich 120 Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl. In neuer Zusammensetzung kommt das oberste Gremium der IHK Mitte Juli erstmals zusammen. Präsident Stuke rief zur Wahl auf.