„Heimat Inklusive“ bietet berufliche Perspektive für Mitarbeiterinnen mit Handicap

„Heimat Inklusive“ bietet berufliche Perspektive für Mitarbeiterinnen mit Handicap
Erfolgsmodell in Berge: Mit Unterstützung der kommunalen Arbeitsvermittlung MaßArbeit und der Wirtschaftsförderung WIGOS haben Anna Röckener (3. von links) und Marcella Kramer (links) mit der „Heimat Inklusive“ ein inklusives Gastronomieangebot aus der Taufe gehoben. Mit ihnen freuen sich der Leiter des Geschäftsbereichs Wirtschaft und Arbeit, Siegfried Averhage (2. von links), sowie (von rechts) Thomas Scheufens, Koordinator Inklusion und Rehabilitation der MaßArbeit, und Robert Kampmann vom UnternehmensService der WIGOS. Foto: MaßArbeit / Kimberly Lübbersmann

„Heimat Inklusive“ bietet berufliche Perspektive für Mitarbeiterinnen mit Handicap

Berge. Alte Heimat – das ist ein echter Sehnsuchtsname. Ein Hauch von Geborgenheit, ein Gefühl von Gemeinschaft, ein Empfinden von „Hier gehör ich hin“ macht sich wohlig im Bauch breit. Alte Heimat – das ist auch der Name eines Restaurants in Berge. Der Name verspricht nicht zu viel und doch nicht genug: Denn die „Alte Heimat“ hat auch zwei Arbeitsuchenden mit gesundheitlichen Einschränkungen, die fast schon die Hoffnung auf eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt aufgegeben hatten, eine neue Heimat gegeben.

Das neue Projekt, das im Januar startete, heißt folgerichtig „Heimat Inklusive“: Es versorgt täglich rund 50 Kita-Kinder, Senioren und zum Teil auch Erntehelfer mit mobilem Mittagessen. Aus der Taufe gehoben haben es Alte-Heimat-Inhaberin Anna Röckener und die Sozialarbeiterin Marcella Kramer. Fast ein Jahrzehnt hat Marcella Kramer beruflich Menschen mit Behinderung begleitet, ihr persönlicher Traum war jedoch immer die Eröffnung eines inklusiven Restaurants. Als regelmäßiger Gast der Alten Heimat kam sie mit Anna Röckener ins Gespräch. Sie fing in ihrer Baby-Pause als Küchenhilfe im Restaurant an. Und überzeugte bei langen Gesprächen auch die innovative Restaurantchefin von ihrem Traum. Die beiden Frauen nutzten dann den Corona-Lockdown 2020, um erste entsprechende Pläne zu schmieden.

Doch von Anfang an war klar: Ohne entsprechende Kooperationen, Netzwerke und Unterstützung kann ein inklusives Gastronomieangebot nicht dauerhaft wirtschaftlich arbeiten. So begann ein Ämter- und Bürokratiemarathon, um die notwendigen Mittel zu akquirieren. „Ich hätte aufgegeben“, erinnert sich Anna Röckener an die frustrierende Zeit. Denn die Landes- und Bundesbehörden oder andere soziale Einrichtungen, die das Projekt grundsätzlich fördern wollten, hatten sehr hohe bürokratische Anforderungen: Ein Aufwand, der einfach nicht zu leisten war. Doch Marcella Kramer blieb am Ball und fand mit dem Geschäftsbereich Wirtschaft und Arbeit des Landkreises Osnabrück den richtigen Partner.

Im Geschäftsbereich arbeiten die Wirtschaftsförderung WIGOS und die kommunale Arbeitsvermittlung MaßArbeit unter einem Dach. „Wir versuchen, innovative Projekte möglich zu machen und gehen dafür auch gern mal ungewöhnliche Wege“, sagt der Leiter des Geschäftsbereiches, Siegfried Averhage. So unterstütze Robert Kampmann von der WIGOS bei der Akquise von Fördermitteln, Thomas Scheufens von der MaßArbeit half bei der Rekrutierung zweier Mitarbeiterinnen, die inzwischen sehr selbstständig und hoch motiviert in der Restaurantküche dafür sorgen, dass jeden Tag leckere Hausmannskost die Reise zu den Kundinnen und Kunden antreten kann.

Beide Mitarbeiterinnen waren zuvor jahrelang ohne sozialversicherungspflichtige Arbeit. Die MaßArbeit hat bereits 2013 erkannt, dass es bei der Integration gesundheitlich beeinträchtigter Menschen einer ganz besonderen, nachhaltigen Strategie bedarf. „Das Selbstwertgefühl geht rapide zurück, je länger eine Arbeitsabstinenz dauert.  Es geht dann darum, den Menschen wieder Mut zuzusprechen und den Erwartungsdruck von ihren Schultern zu nehmen“, beschreibt Thomas Scheufens, Koordinator für Inklusion und Rehabilitation bei der MaßArbeit. Deshalb gehe es im Vermittlungsprozess durch viele persönliche Gespräche und Einzelcoachings oft erst einmal darum, mögliche Handicaps zwar klar zu benennen, aber immer auch die „schlummernden“ Stärken in den Blick zu nehmen. „Das erleichtert die Integrationschancen immens, weil die Kommunikation zwischen den Arbeitssuchenden, den Unternehmen und der kommunalen Arbeitsvermittlung sehr klar verlaufen kann“, so Scheufens weiter.

Das ist in Berge gelungen. Die erste Kraft startete schon am 1. Dezember vergangenen Jahres, die zweite zum Februar. Das gesamte Team hat sich Zeit für die Einarbeitung genommen und vieles möglich gemacht: So schlief eine der beiden Damen rund drei Wochen in einem Pensionszimmer der „Alten Heimat“, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Dann wurde sie zunächst von zuhause abgeholt, bis sie sich den Weg zur Arbeit allein zutraute. Die andere Küchenfee erhielt einen Zuschuss für die Anschaffung eines PKW von der MaßArbeit, um ihren neuen Arbeitsort erreichen zu können. Doch diese Hürden sind mit viel gutem Willen und Vertrauen auf allen Seiten inzwischen Vergangenheit.

Stillstand gibt es in Berge nicht: Anna Röckener und Marcella Kramer haben mit ihrem Team inzwischen die Idee umgesetzt, auch Saucen und Dips für den Außer-Haus-Verkauf herzustellen. Mittelfristig kann sich die Restaurantchefin dafür eine Öffnungszeiten-unabhängige Automatenlösung vorstellen. Marcella Kramer und ihr Team der „Heimat Inklusive“ bieten inzwischen auch einen täglichen Mittagstisch zum Mitnehmen an. Freunde von Rouladen mit Rotkohl und Klößen oder Schnippelbohneneintopf sind hier genau richtig, sollten aber vorab bestellen. Auch der Draht zum Geschäftsbereich Arbeit und Wirtschaft bleibt bestehen: Über die WIGOS gab es kürzlich eine Digitalisierungsberatung, die MaßArbeit steht für weitere Vermittlungen bereit. „Ein tolles Projekt, das uns genauso viel Spaß macht, wie den beiden innovativen Betreiberinnen“, so die Bilanz von Siegfried Averhage.

Quelle Pressemeldung von  Wigos