Die Zukunft der Gießerei-Industrie in Deutschland

Die Zukunft der Gießerei-Industrie in Deutschland

Die Zukunft der Gießerei-Industrie in Deutschland

Die Gießerei-Industrie hat in Deutschland eine sehr lange Tradition. Sie umfasst aktuell rund 600 Unternehmen mit insgesamt knapp 70.000 Beschäftigten. Aktuell steht die Branche nicht zum ersten Mal vor großen Herausforderungen. Vor allem die stark gestiegenen Stromkosten und die Gasmangellage sowie der Fach- und Nachwuchskräftemangel machen den Unternehmen schwer zu schaffen. Die entscheidende Frage lautet deshalb: Hat die Gießerei-Industrie in Deutschland langfristig noch Chancen auf eine positive Zukunft?

Guss 2035“ zeigt: Die Chancen und Potenziale überwiegen

Der Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie macht den Betrieben Hoffnung, dass Gussteile aus Deutschland auch noch in einigen Jahren gefragt sein werden. Das zeigt die in Auftrag gegebene Studie Guss 2035, die sich im vergangenen Jahr der zentralen Fragestellung „Was wird aus Deutschland Gießerei-Industrie?“ widmete.

Dabei geht es vor allem darum, welche Produkte aus welchen Bereichen künftig nachgefragt werden. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht dabei der Klimawandel. Im Zuge dessen hat die Europäische Union im Jahr 2021 das neue EU-Klimagesetz verabschiedet. Der europäische Green Deal der EU sieht vor, dass die Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber den Werten von 1990 sinken sollen. Bis zum Jahr 2050 soll die komplette Klimaneutralität erreicht werden.

Für die Gießereiindustrie bedeutet dies einen großen Veränderungsdruck. Mögliche Potenziale finden sich dabei zum Beispiel am Energiemarkt. Über viele Jahre bestand die Stromerzeugung in Deutschland zu einem überwiegenden Teil aus einem Mix von Kohle- und Atomkraftwerken sowie weiteren Erzeugern von Energie fossilen Ursprungs. Nur zu einem sehr kleinen Teil kam dabei auch regenerative Energie zum Einsatz.

Der frühzeitige Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 macht vor allem den Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke erforderlich. Der Ausbau wird eine große Nachfrage nach entsprechenden Gusserzeugnissen von Komponenten für die Turbine bis zu Leitschaufeln und Gehäusen nach sich ziehen.

Auch für den Ausbau der Windenergieanlagen werden handgeformte Strukturteile wie Rotornaben, Zapfen und Maschinenträger benötigt werden. Diese Guss-Bedarfe bieten den Betrieben eine große Chance auf zukünftiges Wachstum, wenn sie rechtzeitig auf den Zug aufspringen.

Die Veränderungen im Verkehr betreffen die Gießerei-Branche massiv

Verbrennungsmotoren benötigen wesentlich mehr Gussteile als elektrisch betriebene Fahrzeuge. Das ist grundsätzlich keine positive Nachricht für die Gießerei-Industrie. Denn der Anteil an Elektroautos wird in den nächsten 20 bis 30 Jahren massiv ansteigen. Damit wird auch der Bedarf an Gussteilen für PKWs spätestens ab dem Jahr 2030 deutlich abnehmen.

Damit einher geht jedoch auch eine Verlagerung des Verkehrs. Denn die Mobilität in Deutschland wird sich nicht nur dadurch verändern, dass Verbrennungsmotoren durch andere Antriebsarten ersetzt werden. Der Individualverkehr wird insgesamt zurückgehen. Das bedeutet gleichzeitig einen massiven Ausbau des Schienen- und Straßennetzes im ÖPNV sowie des Bahntransports.

Die damit verbundene steigende Nachfrage nach gegossenen Strukturteilen wird ebenfalls für neue Impulse in der Gießerei-Branche sorgen. Vor allem mittelständischen Betrieben bietet sich hier eine große Chance auf Spezialisierung.

Die Politik bleibt die große Unbekannte

Die Transformationspotenziale sind also mittlerweile deutlich sichtbar. Viel schwieriger ist allerdings einzuschätzen, wie sich die entscheidenden politischen Akteure in den nächsten Jahren verhalten werden. Denn sie haben mit ihren Entscheidungen und Vorgaben auch einen maßgeblichen Einfluss auf unterschiedliche Industrie-Sektoren.

Dabei können sie entweder als Ermöglicher oder Verhinderer agieren. Es bleibt zu wünschen, dass die zuständigen Politiker den strategischen Weitblick haben, der die erforderlichen Transformationen der Gießerei-Industrie in den nächsten Jahren nicht nur verhindert, sondern unterstützt.

Der Fachkräftemangel bleibt auch in den nächsten Jahren das Top-Thema

Auch wenn die Aussichten der nächsten Jahre grundsätzlich als positiv zu bewerten sind, stellt sich dabei eine entscheidende Frage: Wer soll die Arbeit erledigen? Denn der Branche fehlen seit Jahren die dafür erforderlichen Fachkräfte und der Nachwuchs.

Deshalb gilt es, die Gießerei-Branche für Arbeitskräfte insgesamt attraktiver zu machen. Viele Betriebe haben dabei die Entwicklung völlig verschlafen. Doch heutzutage bewerben sich oftmals nicht die Arbeitnehmer bei den Arbeitgebern, sondern umgekehrt. Bei einer Stellenausschreibung melden sich heutzutage nicht mehr wie früher zehn Kandidaten, sondern maximal ein bis zwei.

Ein gutes Betriebsklima, flexible Arbeitszeiten, faire Entlohnung sowie zusätzliche Anreize sind heutzutage kein nettes Add-on mehr, sondern Voraussetzung dafür, dass sich die besten Fachkräfte für ein Unternehmen interessieren.

Die Möglichkeiten dafür sind zahlreich vorhanden und reichen von Kindergarten-Zuschüssen bis zur Alters- und Gesundheitsvorsorge. Wichtig ist, dass diese in eine entsprechende Strategie gegossen und sie in weiterer Folge nicht nur umgesetzt, sondern auch offensiv kommuniziert werden.