Aufgeben in Niedersachsen keine Option
Verantwortliche von Landwirtschaft und Naturschutz trafen sich diese Woche in Aurich, um öffentlich über das weitere Zusammenwirken zu sprechen. Die gut besuchte Podiumsdiskussion lieferte in der „Alten Schmiede“ eine teils kontroverse, aber faire Auseinandersetzung zwischen Manfred Tannen (Landvolk Niedersachsen) und Dr. Holger Buschmann (NABU Niedersachsen). Eingeladen hatten die Ländliche Erwachsenenbildung (LEB) und der Landwirtschaftliche Hauptverein (LHV) im Rahmen der LEB-Bildungsreihe „Prima Klima“.
Rund 60 Besucherinnen und Besucher fanden in den „Saal Westerloog“, die Überschrift „Biodiversität und die Landwirtschaft am Beispiel des Niedersächsischen Weges“ gab den inhaltlichen Rahmen vor. „Der Niedersächsische Weg“ als Vertrag zwischen Politik, Landvolk, Landwirtschaftskammer sowie Natur- und Umweltverbänden verpflichtet alle Beteiligten seit 2020 gemeinsam zu großen Anstrengungen. In puncto Natur- und Artenschutz, Biodiversität und beim Umgang mit der Ressource Landschaft. Das Papier beinhaltet geplante Maßnahmen, für die mehr als 100 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen, um den Landwirt*innen zuzusichern, dass die geforderten Leistungen auch honoriert werden. Die zwei Kontrahenten, NABU-Landesvorsitzender Dr. Holger Buschmann und Landvolk-Vizepräsident Manfred Tannen (Landvolk-Vizepräsident), sind demnach gleichzeitig Vertragspartner.
Beide legten anfangs ihre grundsätzlichen Standpunkte und Vorstellungen dar, danach ging es in den von „Prima Klima“-Projektleiterin Karina Schaefer (LEB) moderierten Dialog. In diesem wurde schnell klar, dass es auf der verabredeten Strecke noch Streitpunkte gibt, wie bestimmte Regelungen en détail ausgestaltet werden sollen. Ein Beispiel dafür lieferten die dem Naturschutz zugedachten 10 Prozent Fläche, die nicht bewirtschaftet werden sollen.„Die können wir Landwirte uns nicht leisten, das ist der falsche Weg“, so Tammen eindringlich. Bislang seien zudem Betriebe, die sich für Naturschutz einsetzten, eher bestraft worden. Deswegen habe er auf Bundesebene bereits eine Aktion angeschoben, um eine spezielle Abmachung für Grünlandbetriebe zu finden. Dr. Buschmann konterte: „Wir werden weniger intensiv wirtschaften müssen, weil die Umweltschäden sonst zu hoch sind.“ Die Folgen bedeuteten sonst, irgendwann überhaupt nicht mehr wirtschaften zu können. Anreiz und Förderung, räumte er jedoch ein, hätten bisher gefehlt, dies sei aber nun durch den Niedersächsischen Weg geändert worden.
Bei dem Thema der breiteren Gewässerrandstreifen zum Schutz von Gräben und Flüssen vor Pestiziden und Düngemitteln, kam man inzwischen aber besser zusammen. So konnte für die Betriebe in Gebieten mit hoher Gewässerdichte eine Lösung gefunden werden. Laut NABU sei „eine komplizierte, aber gerechtere Regelung“ verabredet und ein Nachsteuern in den Arbeitsgruppen noch immer möglich. Hier habe man in mühevoller Kleinarbeit „ein Konfliktfeld auflösen können“, bestätigte der Landvolk-Vize, aber betonte, dass nun „die finanzielle Kompensation gelebt werden muss.“
Anknüpfend an eine Frage aus dem Saal, wurde auch das spürbar emotional behaftete Problem des Gänsefraßes angeschnitten. Manfred Tammen bemängelte, dass es kein Konzept gebe, der hohen Populationen an Gänsen zu begegnen und stellte den Schutzstatus der Tiere sogar in Frage. Aus Naturschutzsicht müsse man differenziert die einzelnen Arten und Bestände betrachten, mahnte der NABU-Landesvorsitzende. Nicht alle Wildgänse stellten ein Problem dar, wohl aber die Nonnengans. Nicht die hohe Population sei allerdings das Übel: „Wir haben durch die Klimaveränderung ein völlig verändertes Zugverhalten bei den Vögeln, sodass sie inzwischen fast den gesamten Winter über bleiben.“ Das habe die Situation insbesondere in Ostfriesland verändert und für viel Gänsefraß auf den Feldern gesorgt. Da müssten gezielter die Landwirt*innen entschädigt werden, welche wirklich den Schaden davontragen.
Zum Abschluss der Veranstaltung richtete sich Moderatorin Karina Schaefer an Dr. Buschmann: „Um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen, was sollte der Naturschutz auf keinen Fall tun?“ Die kurze und prägnante Antwort lautete: „Aufgeben!“ Dieselbe Reaktion folgte von Manfred Tammen mit Bezug auf die Landwirtschaft. Dass auch noch im Nachgang der öffentlichen Debatte fleißig diskutiert wurde, wirkte wie ein Bestätigung dafür, dass beide Seiten gewillt sind, den gemeinsamen Weg fortzusetzen.
Hintergrund:
Die öffentliche Veranstaltung bildete den Abschluss zum Sonderthema Landwirtschaft innerhalb der LEB-Bildungsreihe „Prima Klima“, die sich mit dem Klimawandel und den nötigen Anpassungsmaßnahmen für die Gesellschaft auseinandersetzt.
Pressemeldung von LEB