Umweltminister Meyer: „Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für unsere Küste“

Umweltminister Meyer: „Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für unsere Küste"
Auf der Deichbaustelle bei Hamswehrum rollen bereits die Bagger. Umweltminister Christian Meyer (3.v.l.) machte sich am Donnerstag gemeinsam mit Experten von NLWKN und Deichacht Krummhörn ein Bild vom Fortschritt des Großprojekts (Bild: NLWKN).

Umweltminister Meyer: „Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für unsere Küste“

Die vom Menschen gemachte Klimakrise, das Abschmelzen der Polkappen und der Meeresspiegelanstieg gefährden unsere Küste und das Wattenmeer. „Wenn wir die Klimaerwärmung nicht auf maximal zwei Grad begrenzen, gefährden wir die Lebensräume an den Küsten dramatisch. Die Herausforderungen für den Küstenschutz sind in Zeiten der Klimakrise gewaltig“, betonte am Donnerstag (27.04.) Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer im Rahmen des Besuchs einer Deichbaustelle in Ostfriesland. In diesem Jahr werden in Niedersachsen insgesamt 78,9 Millionen Euro in landeseigene Vorhaben und Küstenschutzprojekte der Hauptdeichverbände investiert. Im Fokus der Anstrengungen in Ostfriesland stehen unter anderem der Deichbau in der Krummhörn, in Norden und die Insel Spiekeroog.

„Hier an der Küste sind die Folgen der Klimakrise längst greifbare Lebensrealität, wenn Deiche erhöht und Dünen verstärkt werden müssen“, so Umweltminister Christian Meyer. „Schließlich schützen Deiche, Dünen und andere Schutzbauwerke 14 Prozent der Landesfläche und damit 1,1 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, unzählige Sachwerte, aber auch wertvolle Naturflächen. Der von internationalen Expertinnen und Experten prognostizierte Meeresspiegelanstieg stellt die niedersächsische Küste vor große Herausforderungen.“  Durch die Klimaerwärmung müssen allein 610 Kilometer Deichlinie in Niedersachsen auf den Prüfstand und wo erforderlich auch um ein Klimavorsorgemaß aufgestockt werden.

Über den Nachtragshaushalt für 2023 will die rot-grüne Landesregierung die Mittel für den Hochwasser- und Küstenschutz erheblich aufstocken. „Küstenschutz und Klimaschutz haben für uns Priorität – deshalb bin ich dankbar für die Erhöhung der Mittel. Beim Küstenschutz darf man nicht sparen und daher setzen wir unser Versprechen aus dem Koalitionsvertrag tatkräftig um“, betonte Klimaschutzminister Meyer. Der Doppelhaushalt der vorangegangenen Koalition hatte dagegen eine Reduzierung um 2,4 Millionen für den Küsten- und Hochwasserschutz vorgesehen.  „Die Klimakrise gewährt dem Küstenschutz keine Verschnaufpause. Wir werden in Niedersachsen die Maßnahmen konsequent fortschreiben. Küstenschutz ist Daseinsvorsorge und für mich als Klimaschutzminister von größter Bedeutung“, so Minister Meyer.

Insgesamt 78,9 Millionen Euro stehen vor diesem Hintergrund 2023 für Investitionen in den Schutz der niedersächsischen Küste und Inseln zur Verfügung. Die Mittel für den Küstenschutz werden vorbehaltlich der Entscheidung des Landtags von 61,6 Millionen Euro um zusätzliche 17,3 Millionen Euro erhöht. Zum Vergleich:  In 2022 konnten ca. 63,2 Millionen Euro (inkl. GAK-Mittel) für den Küstenschutz investiert werden. Hinzu kamen Landesmittel in Höhe von rund 5 Millionen Euro für den Inselschutz als sturmflutbedingter Mehrbedarf.

Von den 78,9 Millionen Euro im Jahr 2023 fließen 57,3 Millionen Euro im Zuge der gemeinsamen Bewältigung des Küstenschutzes dabei in Vorhaben der 22 Hauptdeichverbände, die in Niedersachsen vielerorts für die Erhaltung der Deiche zuständig sind. Insgesamt werden in den Verbandsgebieten zwischen Dollart und Elbe Mittel für die Umsetzung oder Planung von 98 Einzelprojekten zur Verfügung gestellt (vgl. Übersicht im Anhang). Für die vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) koordinierten landeseigenen Vorhaben an der Festlandsküste stehen weitere 12,8 Millionen Euro bereit. In Küstenschutzprojekte auf den Inseln werden 2023 insgesamt rund 6,7 Millionen Euro investiert.

Damit dies auch umgesetzt wird, braucht es auch mehr qualifiziertes Personal bei den Behörden. „Ich bin daher dem Finanzminister Gerald Heere sehr dankbar, dass wir anders als bei seinem Vorgänger zusätzliche Stellen beim NLWKN entfristen können und nicht mehr wie vorher auf befristete Stellen setzen müssen. Küstenschutz und Naturschutz sind elementare Daueraufgaben des Landes und nicht Sparpotential.“

Herausforderungen Fachkräftemangel und Klimaschutz

Doch nicht nur laufende Bauprojekte beschäftigen die Küstenschützer: Ein besonderer Schwerpunkt liegt in diesem Jahr vielerorts an der Küste auf der Vorplanung und Vorbereitung wichtiger künftiger Küstenschutzvorhaben, etwa für die Erhöhung und Verstärkung des Hauptdeiches zwischen Dangast und Schweiburgermühle am Jadebusen, wo gemäß der 2020 aufgelegten Küstenschutzstrategie Niedersachsens ein Klimadeich entstehen soll. „Derartige Planungen sind angesichts des gewaltigen Umfangs vieler Küstenschutzprojekte und der konkurrierenden Flächennutzungen auch juristisch zunehmend komplex und zeitaufwendig – das bindet 2023 ebenfalls finanzielle Ressourcen in der Planung, vor allem aber Personal im NLWKN und in den mitarbeitenden Büros“, so Rainer Carstens, Geschäftsbereichsleiter Planung und Bau in der NLWKN-Direktion in Norden. Personal, das rar ist, wie der Küstenschutzexperte deutlich macht: „Der Fachkräftemangel in diesem so spannenden und zukunftssichernden Ingenieurbereich stellt den Küstenschutz zunehmend vor große Herausforderungen – eine Entwicklung, die in den kommenden Jahren noch zunehmen wird. Zugleich steigt vor dem Hintergrund des Klimawandels absehbar auch die Zahl der Projekte, die mit einer begrenzten Zahl von Fachleuten und Dauerstellen geplant und bewältigt werden muss.

Weitere wesentliche Herausforderungen für den Küstenschutz seien der in Zukunft weiter anwachsende Mittelbedarf für Material- und Grunderwerb sowie große Kompensations- und Kohärenzsicherungsvorhaben für künftige Großprojekte. Darüber hinaus sei es wichtig, durch möglichst treibhausgasmindernde Ansätze Küstenschutz zu betreiben, um auch bei der Klimaanpassung den Klimaschutz voranzutreiben: „Grüne Deiche mit möglichst wenig massiven Einbauten aus Stahl oder Stahlbeton sowie geringe Transportwege für große Materialbedarfe stehen dabei aktuell im Vordergrund“, so Carstens.

Inseln: Spiekeroog im Fokus

Der Küstenschutz auf den Ostfriesischen Inseln liegt weitgehend in der direkten Verantwortung des NLWKN. Nachdem im vergangenen Jahr infolge einer ereignisreichen Sturmflutsaison vor allem auf Norderney und Langeoog sowie auf Wangerooge massiv in einen besseren Schutz der Inseln investiert wurde, rückt nach einem sturmflutarmen Winter im Sommerhalbjahr 2023 auch die Insel Spiekeroog in den Fokus der Küstenschützer: „Um die Schutzdüne vor dem Zeltplatz wirksam gegen Sturmfluten zu schützen, muss in diesem Jahr das Sanddepot vor der Düne vorsorglich wiederhergestellt werden“, erklärte Prof. Frank Thorenz, Leiter der NLWKN-Betriebsstelle Norden. Bei dieser naturbasierten Küstenschutzmaßnahme werden insgesamt rund 80.000 Kubikmeter Sand eingespült. Das Material wird mittels eines Spezialschiffs am Rinnenrand der Otzumer Balje entnommen. Die Düne mindert zudem in Sturmfluten die Wellenbelastung der Deichlinie auf Spiekeroog.

Auf Norderney wird im Rahmen des insgesamt dritten Bauabschnitts die Grundinstandsetzung des Westdeichs der Insel abgeschlossen. Bereits in den Jahren 2021 und 2022 war hier der Deichfuß mit Promenade auf 800 Metern Länge zu einer modernen Küstenschutzanlage umgestaltet worden. Im Zuge einer Salzwiesenrenaturierung in der Leybucht wird zudem Kleiboden für die in den nächsten Jahren geplante Erhöhung und Verstärkung des Loog-Deiches auf Juist gewonnen. „Das Projekt ist ein gutes Beispiel für das konsequente Zusammendenken von Zielen des Natur- und Küstenschutzes bei landeseigenen Vorhaben“, so Thorenz.

Ostfriesisches Festland: Deichbau schreitet voran

Während der Start der Arbeiten auf Spiekeroog und bei vielen anderen Küstenschutzprojekten noch aussteht, rollen in der Krummhörn, wo sich Minister Meyer am Donnerstag persönlich über die Fortschritte informierte, bereits wieder die Bagger: Ein Abschnitt von 600 Metern Deich zwischen Manslagt und Upleward muss hier bis zum Ende des kurzen Sommerhalbjahrs erhöht und verstärkt werden, denn: „Im Winter, wenn sich die Anlagen gegen die Winterstürme bewähren müssen, ist nur in wenigen Ausnahmefällen eine Bauaktivität im Küstenschutz möglich“, so Dr.-Ing. Thomas Schoneboom, in der NLWKN-Betriebsstelle Aurich für die Hauptdeichlinie Ostfriesland zuständiger Leiter für Planung und Bau. Beim Deichbau in der Krummhörn ist der Landesbetrieb als Planungs- und Umsetzungspartner der Deichacht Krummhörn aktiv. Auf dem aktuellen Abschnitt zwischen Manslagt und Upleward werden nach gegenwärtiger Planung bereits 2024 weitere 600 Meter Deich folgen – ein Abschluss der Arbeiten ist hier für 2025 vorgesehen.

Auch anderorts in Ostfriesland ist der NLWKN in diesem Jahr auf dem Festland für die Verbände aktiv: Im Deichabschnitt der Deichacht Norden sollen die Arbeiten am Asphaltdeckwerk fortgesetzt und zum Abschluss gebracht werden – die zweitteuerste Maßnahme des Küstenschutzes für Ostfriesland in diesem Jahr. Im Bereich der Deich- und Sielacht Harlingerland wird in diesem Jahr die Ertüchtigung des Siel- und Schöpfwerks Accumersiel mit Arbeiten an der Hydraulik abgeschlossen. Und auch im Schutzdeichbereich hinter den Sperrwerken, hier für den Leda-Jümme-Verband, stehen wichtige Maßnahmen im laufenden Jahr an: Die hier geplante und über insgesamt drei Jahre umgesetzte Verstärkung der Schutzdeiche am linken Soesteufer kann voraussichtlich 2023 mit einer Deichrückverlegung abgeschlossen werden.

Jadebusen, Wesermarsch und Cuxhavener Land

Entlang der Weser konnte die dritte Bauphase der Deichbaumaßnahme zur Erhöhung und Verstärkung des Weserdeiches zwischen Berne-Ohrt und Ranzenbüttel im vergangenen Jahr weitgehend abgeschlossen werden, sodass hier 2023 nur noch Restarbeiten erforderlich sind. An der Hunte erwartet der Landesbetrieb in Kürze den Planfeststellungsbeschluss für das Deichbauvorhaben am Kloster Blankenburg. Eine entsprechende Genehmigung für den zugehörigen Bodenabbau im Bereich Gellenerhörne ist bereits beim Vorhabenträger, dem I. Oldenburgischen Deichband, eingegangen. Damit können voraussichtlich noch in diesem Jahr die Planungen im Rahmen der Ausführungsplanung und Vorbereitung der Vergabe konkretisiert und vorbereitende Maßnahmen auf dem Baufeld begonnen werden.

Das heute seltene Vorhaben eines kompletten Neubaus eines Deiches beschäftigt derzeit in Sahlenburg (Cuxhaven). Hier ist die sogenannte Wolskermarsch bisher nur durch eine Düne und eine Promenade mit Deckwerk geschützt. Als Planungspartner des Deichverbands Cuxhaven treibt der NLWKN derzeit die Überlegungen für einen Deich in Sonderbauweise inklusive Schöpfwerk voran, um den hier anliegenden Interessen von Küstenschutz, Naturschutz und Tourismus gerecht werden zu können.

Neben dem Deichbau steht das Deichvorland 2023 erneut im Fokus der Küstenschützer: Im Bereich des II. und III. Oldenburgischen Deichbands werden dabei verschiedene Schutzwerke – Buhnen und Lahnungen – durch Grundinstandsetzung und Unterhaltung für die Zukunft fit gemacht. „Die Erhaltung des Deichvorlandes ist ein wichtiger Bestandteil der Anpassung an den Klimawandel und den damit verbundenen Meeresspiegelanstieg“, unterstrich im Rahmen des Ortstermins in Ostfriesland Umweltminister Christian Meyer.

Unterelbe: Deiche, Sperrwerke und Oste

Mit Blick auf die Hauptdeiche der Tideelbe wird der NLWKN als Planungspartner der Deichverbände in 2023 insbesondere die Planungen für die erforderlichen Deichnacherhöhungen in den Bereichen Hullen, Krautsand, Wetterndorf und Hinterbrack voranbringen müssen. „Hier besteht ein großer Nachholbedarf und gemeinsam an der Seite der Deichverbände und Landkreise in den kommenden Jahren eine große Herausforderung bei der Erhöhung und Verstärkung der Hauptdeichlinie und ihrer Einbauten für den Küstenschutz“, so Rainer Carstens. Für die Deichnacherhöhung bei Krautsand soll noch in 2023 der Antrag auf Planfeststellung eingereicht und das Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden.

Dabei werden aktuell auch die in die Jahre gekommenen massiven Einbauten in den grünen Deich intensiver in den Blick genommen: Die sechs landeseigenen Sperrwerke an der Unterelbe erreichen in den nächsten 30 Jahren das Ende ihrer vorgesehenen Nutzungsdauer. „Zudem haben sich die Bemessungswasserstände mit dem neuen, deutlich höheren Vorsorgemaß zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels wesentlich verändert“, so Carstens. Wie die wichtigen Küstenschutzbauwerke zukunftssicher gemacht werden können, untersucht der NLWKN Stade aktuell im Rahmen der Erstellung eines umfangreichen Rahmenentwurfs, bei dem Faktoren wie Statik und Standsicherheit, Wellenüberlauf, Funktionalität und der allgemeine Bauwerkzustand überprüft werden.

An der Oste hatten sich im Rahmen der zurückliegenden Sturmflutsaison starke Uferabbrüche direkt in der Außenberme der dortigen Schutzdeiche eingestellt. „Hier musste schnell gehandelt werden, da diese Abbrüche immer näher an den Schutzdeich heranrückten. Auch stehen in den Folgejahren kontinuierlich weitere Maßnahmen zur Sicherung an.“, erklärte Carstens. Die erforderlichen Sicherungsarbeiten konnten bereits im Frühjahr durch den NLWKN-Betriebshof Basbeck kurzfristig selbst ausgeführt werden. Die 2022 begonnene planmäßige Deichfußsicherung im Bereich Geversdorf-Laack wird in 2023 fortgesetzt. Im Auftrag des Deichverbands Kehdingen-Oste führt der NLWKN zudem eine Baumaßnahme am Schutzdeich der Oste zwischen der Bundesstraße B73 und Burgbeckkanal fort: Baulicher Schwerpunkt In 2023 ist hier die Fertigstellung des Schöpfwerkes sowie die Herstellung der Baustraße und der Durchstich vom Schöpfwerk zum Mahlbusen.

Instandsetzung des Ilmenau-Sperrwerks vor Abschluss

Weiter stromaufwärts von Hamburg finden bereits seit Anfang April wieder umfangreiche Arbeiten statt: Die mehrjährige aufwändige Grundinstandsetzung des Ilmenau-Sperrwerks im Landkreis Harburg, die das Küstenschutzbauwerk für die Herausforderungen des Klimawandels fit machen soll, kann nach aktuellen Planungen in diesem Herbst bis auf Restarbeiten abgeschlossen werden – wenn keine erneuten Lieferengpässe hinzukommen, denn: „Die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Pandemie sowie der insgesamt angespannten Weltlage sind an vielen Stellen vor allem in der Materialbeschaffung und in Form von deutlichen Kostensteigerungen auch bei Projekten des Küstenschutzes spürbar“, betont Carstens.

Im tidebeeinflussten Bereich der Elbe geht neben der Modernisierung des Ilmenau-Sperrwerks zudem ein mehrjähriges Projekt zur Instandsetzung der Sicherungs- und Schutzbauwerke oberhalb von Hamburg bis zur Staustufe Geesthacht/Rönne in die finale Umsetzungsphase. Im Rahmen der gemeinsam mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung und den örtlich zuständigen Deichverbänden geplanten Arbeiten werden hier in diesem Jahr die letzten vier Buhnenfelder der insgesamt 6,5 Kilometer langen Strecke instandgesetzt.

Pressemeldung von  Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz