Absolventen der Hochschule Bremerhaven beschäftigen sich mit Informationsflut
In Zeiten von Social Media und Internet-Flatrates landen jeden Tag Unmengen an Nachrichten ungefiltert auf den Smartphones ihrer Nutzer:innen. Konzentrationsstörungen und Überforderung können die Folgen sein. Doch wie sollte man mit all dem, was im Newsfeed erscheint, umgehen? Die Bremerhavener Hochschulabsolventen Justin Kempke und Tom Jansen haben sich gefragt, welche Themen Menschen beschäftigen und wie lange. Für ihr Medienprojekt „AYR 2023“ haben sie Google-Suchanfragen aus dem Jahr 2023 analysiert. Entstanden ist ein crossmediales Projekt bestehend aus Film und Booklet, welche die Themen Informationsflut, sowie die Kurzfristigkeit und Gegensätze medial diskutierter Themen darstellen. In der finalen Form soll das Projekt als 3D Visualisierung in zukünftigen Ausstellungen auch per VR-Brille erlebbar sein. Für die weitere Umsetzung sucht das Projektteam noch Kooperationspartner:innen.
Die Flut an Informationen, der Mediennutzer:innen täglich ausgesetzt sind, ist riesig. Allein auf Instagram teilen Nutzer:innen jeden Tag mehr als 95 Millionen Fotos und Videos. Über 720.000 Stunden Videomaterial werden täglich bei YouTube hochgeladen. Hinzu kommen andere Social Media Plattformen wie TikTok und Facebook. Auch Nachrichtenmagazine und Tageszeitungen haben inzwischen häufig eigene Webseiten und Apps, wo sie mehrmals täglich Neuigkeiten veröffentlichen. Lässt sich diese Informationsflut überhaupt bewältigen? Und wie beeinflusst sie das Verhalten der Gesellschaft? Diese Fragen haben die beiden Hochschulabsolventen Justin Kempke und Tom Jansen auf die Idee gebracht, sich kritisch mit dem Thema zu beschäftigen. „Wir haben uns gefragt, welche Themen die Menschen zu einem bestimmten Zeitraum berühren und wie wichtig diese später noch sind. Das wollten wir filmisch-medial aufgreifen“, sagt Tom Jansen.
Meistgesuchte Begriffe als Datengrundlage für Jahresrückblick
Gemeinsam mit Justin Kempke, der als wissenschaftlich-technischer Mitarbeiter im Studiengang Digitale Medienproduktion an der Hochschule tätig ist, hat er das Projekt „AYR 2023“ ins Leben gerufen. Ihr erstes Ergebnis, das auf dem Filmfest in Bremen und am DMP-Tag in Bremerhaven vorgestellt wurde, ist ein audiovisueller Rückblick auf das Jahr 2023. „Wir haben die Suchmaschine Google als Datengrundlage genutzt und uns für jeden Monat die 25 meistgesuchten Keywords in Deutschland angesehen. Davon haben wir jeweils zwei ausgewählt und für unsere Visualisierung genutzt“, erklärt Justin Kempke. Bei der Auswahl war ihnen nicht nur die Häufigkeit der Suchanfragen, sondern auch der Kontrast zwischen den Themen wichtig. Daher flossen neben Keywords wie „Israel“, „Erdbeben Türkei“ und „Hochwasser“ auch die Begriffe „Gamescom“, „Barbie“ und „Wetten Dass“ ein. „Es war eine kreative Herausforderung, eine Balance bei der Informationsdichte, und ein passendes Gefühl bei der Filmmusik und dem Schnitt zu finden: Zwischen Reizüberflutung und Ruhe sollten die einzelnen Inhalte und das übergeordnete Thema dennoch zugänglich bleiben“, erklärt Tom Jansen.
Neben dem Film haben die beiden auch ein Booklet gestaltet, in dem die Suchanfragen graphisch dargestellt werden. Damit lassen sich die Häufigkeiten der Suchanfragen aus Deutschland zu den Keywords vergleichen. Welcher von den selektierten 24 Begriffen 2023 am häufigsten gesucht wurde? Der Eurovision Song Contest, kurz ESC. „Dass der Peak bei diesem Suchbegriff so viel größer ist als bei anderen, finden viele, denen wir das Projekt vorgestellt haben, überraschend“, sagt Tom Jansen. Parallel zu den 24 ausgewählten Keywords hat das Projektteam den Begriff „Ukraine“ aufgrund des anhaltenden Interesses der Öffentlichkeit als zusätzliche Vergleichsgröße einbezogen. Zu jedem Suchbegriff haben sie recherchiert und kurze Beschreibungstexte verfasst. Außerdem stellen sie verschiedene gemeinnützige Organisationen in Bremen vor, die sich langfristig mit den Themen befassen. Unterstützt wurden sie dabei von Studentin Katrin Harzmeyer.
Datenmenge kaum zu bewältigen
Material für den filmischen Jahresrückblick gab es genug. Die beiden Absolventen haben für ihre mediale Auswahl eine Tabelle mit rund 2.500 Videos zu ihren 25 verschiedenen Keywords angelegt. Um diese Menge an Medien nicht händisch aus dem Internet herunterladen, umbenennen und in verschiedene für das Projekt relevante Dateiformate konvertieren zu müssen, haben Justin Kempke und Tom Jansen diese Schritte über ein selbst geschriebenes Programm automatisiert. Welche Ausschnitte tatsächlich in den Film einfließen durften, haben die beiden redaktionell entschieden. „Wir wollten gern zu jedem Thema eine grundsätzliche Übersicht, wie auch sehr gegensätzliche Meinungsbilder einbinden. Einiges von dem, was wir gesehen haben, war so extrem, dass wir es aus Rücksicht nicht in den Film aufgenommen haben“, sagt Justin Kempke. Für die bisherige Präsentation des Films haben die beiden zu sehr verstörende Szenen ausgelassen. In der finalen Darstellungsform sollen aber auch solche Szenen visuell mit eingebunden werden. Der Film beinhaltet dafür bereits jetzt eine Trigger-Warnung aufgrund der hohen Sensibilität der Themen.
Was Informationsflut auslösen kann, haben Justin Kempke und Tom Jansen während ihrer Arbeit am eigenen Leib erfahren. Für ihr Projekt haben sie unzählige Stunden vor ihren Bildschirmen verbracht und sich durch Videos geklickt. „Um an den einzelnen Bereichen des Projekts zu arbeiten, mussten wir uns ironischerweise selbst mit Medien überfluten“, sagt Tom Jansen. Im Moment gönnt er sich daher privat weitestgehend eine Medienauszeit
Kooperationspartner für Ausstellung gesucht
Die bisherige Arbeit soll nur der Anfang des Projekts sein. Die beiden Hochschulabsolventen entwickeln bereits weitere visuelle Gestaltungsideen und sammeln Daten für das Jahr 2024. Außerdem sind sie auf der Suche nach Kooperationspartnern, die sie bei ihren weiteren Ideen und Ausstellungen unterstützen. Mittels VR-Brille sollen Besucher:innen dabei in Informationsfluten abtauchen können. Interessierte melden sich bei tom@pareidolia.studio oder info@pareidolia.studio.
Gefördert wurde die initiale Entwicklung von „AYR2023“ mit Mitteln der nordmedia – Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH.
Der audiovisuelle Jahresrückblick ist im Rahmen bisheriger Präsentationen derzeit noch auf der Videoplattform Vimeo zu finden: https://vimeo.com/941306028?share=copy. Das zugehörige Informationsheft haben die beiden im Anhang dieses Artikels bereitgestellt.
Mit Begeisterung studieren, lehren und forschen – dafür steht die Hochschule Bremerhaven. In mehr als 20 praxisnahen und innovativen Studiengängen profitieren die rund 3.000 Studierenden von der engen Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft und modernen Lehr- und Lernansätzen. Die zahlreichen Forschungsaktivitäten der „Hochschule am Meer“ wurden bereits vielfach ausgezeichnet und unterstützen nachhaltige Entwicklungen in der Region und darüber hinaus.
Pressemitteilung von: Hochschule Bremerhaven