Traditionelles Handwerk in jungen Händen

Traditionelles Handwerk in jungen Händen
Linda Detering beim Weben an ihrem Webstuhl „Rena“. Foto: HWK/J. Stöppel

Traditionelles Handwerk in jungen Händen

Klack, klack, klack dringt es leise aus dem kleinen Lädchen mit der weißen Eingangstür in der Kirchstraße 13 im ostfriesischen Dörfchen Dornum. Schon beim Öffnen der Tür und dem Betreten des Verkaufsraumes wird das Geräusch lauter und gleichzeitig klar, wo es herkommt. Denn links neben der Eingangstür steht er, der 2,20 mal 2,10 Meter große, hölzerne Trittwebstuhl mit dem schönen Namen „Rena“. Davor, auf einer kleinen hölzernen Bank, sitzt Weberin Linda Detering. Eifrig und im immer gleichen Takt, bewegt sie das Weberschiffchen mit dem Schussfaden hin und her und lässt so ein neues Webstück entstehen. „Das Faszinierende am Weben ist, dass kein Teil dem anderen gleicht, weil es eben echte Handarbeit ist“, sagt die 32-Jährige. Sie hat vor knapp drei Jahren die Handweberei „Fiefschaft“ übernommen und damit den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.

Aber zurück an den Anfang. Die Leidenschaft für das Weben entdeckte die staatlich geprüfte Modedesignerin 2016 während ihres Masterstudiums im Fach „Fashion and Textiles Design“ an der Heriot-Watt University in Galashiels, Schottland. „Zu Beginn meines Masters musste ich mich entscheiden, wo mein Schwerpunkt liegen soll. Und ich wollte unbedingt weben lernen, weil das völlig neu für mich war und ich es total spannend fand, zu sehen, wie Stoffe überhaupt entstehen“, erinnert sie sich. Mit reichlich Wissen über unterschiedliche Webtechniken, Garne und Färbetechniken sowie einem Master mit Auszeichnung kehrte sie gut ein Jahr später zurück nach Deutschland. In Hamburg war sie zunächst als Assistentin bei dem bekannten Weber Andreas Möller tätig. Der Gedanke, sich selbstständig zu machen, sei schon zu der Zeit dagewesen. Allerdings erschien er ihr zunächst als zu unsicher, erzählt die gebürtige Emderin.

Das änderte sich jedoch schlagartig bei einer Stippvisite in ihrer Heimat Ostfriesland im Dezember 2019. Angeregt durch eine Freundin, besuchte sie zum ersten Mal die kleine Handweberei in Dornum und lernte die damalige Inhaberin Irene Steffens kennen, die bereits mit dem Gedanken spielte, ihren Betrieb an die nächste Generation weiterzugeben. „Auch wenn das ein bisschen verrückt klingt, aber schon nach unserem ersten Treffen war uns beiden klar: Das machen wir!“, so Linda Detering.

Danach sei dann alles sehr schnell gegangen. Innerhalb eines Jahres habe sie sich von Irene Steffens alles Wissenswerte zeigen und sich bei der Handwerkskammer für Ostfriesland zur Abwicklung der Betriebsübernahme beraten lassen. Denn das Ziel der Handwerkskammer ist es, angehenden Gründerinnen und Gründern von der Idee bis zur Umsetzung in jeder Phase zur Seite zu stehen. „Ich war froh, dass ich dort einen kompetenten Ansprechpartner hatte, der mich durch den bürokratischen Dschungel geführt hat“, sagt sie lachend. Aber nicht nur die Handwerkskammer, sondern auch ihre Familie, Freunde und das gesamte Team der Handweberei „Fiefschaft“ haben die junge Weberin bei ihrem Vorhaben unterstützt. „Wenn meine Mitarbeiterinnen mir nicht zugesagt hätten, dass sie bleiben, wenn ich den Betrieb übernehme, hätte ich diesen Schritt wahrscheinlich nicht gewagt“, betont die Dornumerin.

Das alles ist mittlerweile fast drei Jahre her. Vieles ist nach der Betriebsübergabe gleichgeblieben, wie zum Beispiel die Dienstleistungen, zu denen vorrangig die Herstellung von Kleidung und Textilien, aber auch eine hauseigene Maßschneiderei sowie der Verkauf von Deko- und Geschenkartikeln gehören. Und doch hat Linda Detering nach und nach kleine Veränderungen vorgenommen und dem Unternehmen ihren Stempel aufgedrückt. „Das meiste betrifft nur die Gestaltung der Räumlichkeiten, aber mir war es wichtig, meine eigene Note einzubringen.“

Und auch für die Zukunft hat sie große Pläne: Denn neben Webstuhl „Rena“ besitzt sie noch etwa 20 weitere Webstühle, die aktuell auf dem Dachboden eines alten Gulfhofes in Dornumersiel stehen. Diese möchte sie zukünftig im Nebengebäude ihres Ladens, das sie kürzlich erworben hat, unterbringen. „Mein Plan ist, dass wir dort Webkurse anbieten können. Das wird aber eine Weile dauern, da das Gebäude zunächst saniert werden muss“, erklärt sie. Und noch ein großer Wunsch treibt die ehrgeizige Unternehmerin an: Wenn alles gut läuft, möchte sie zukünftig im Beruf Textilgestalter/in im Handwerk – Fachrichtung Weben ausbilden. „Ich brenne für mein Handwerk und möchte es unbedingt an die nächste Generation weitergeben, damit es auf jeden Fall erhalten bleibt.“

Pressemeldung von  Handwerkskammer für Ostfriesland