Erneuter Erfolg für Oldenburger Biodiversitätsforschung
Oldenburg. Nahrungsnetze und die Biodiversität in Landschaften, die sich ständig ändern, stehen im Mittelpunkt der Forschungsgruppe „DynaCom“ an der Universität Oldenburg. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Anfang 2019 gestartete Vorhaben nun nach einhelliger positiver Begutachtung für drei weitere Jahre mit rund drei Millionen Euro. „Wir freuen uns sehr über diesen Erfolg, der die tolle Zusammenarbeit der vergangenen Jahre belohnt“, sagt der Oldenburger Biodiversitätsexperte und Sprecher der Forschungsgruppe Prof. Dr. Helmut Hillebrand vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM). „In unserer Forschung verknüpfen wir gezielt ökologische Modellvorstellungen mit Beobachtung und Experimenten, um besser zu verstehen, wie sich Lebensgemeinschaften bilden und um ihre Entwicklung vorherzusagen.“
An dem Vorhaben sind neben Arbeitsgruppen des ICBM und des Instituts für Biologie und Umweltwissenschaften der Universität Forschende der Universität Göttingen, des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, des Museums König Bonn, der TU München sowie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Wilhelmshaven/Frankfurt und des Geomar – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel beteiligt.
Die Forschungsgruppe DynaCom fußt auf einem der meistuntersuchten ökologischen Konzepte, der Theorie der Inselbiogeographie. Mit ihrer Hilfe können Forschende analysieren, welche Rolle das dynamische Gleichgewicht zwischen Einwandern und Aussterben von Arten für die Gesamtzahl der Arten auf einem inselartigen Ökosystem spielt. „Aber die Theorie sagt nicht voraus, welche Arten sich ansiedeln und welche Eigenschaften erfolgreiche Arten haben“, erläutert Hillebrand. DynaCom erweitere die Theorie der Inselbiogeographie damit um die Fragen, welche Arten sich auf Inseln etablieren und wodurch sich erfolgreiche Arten auszeichnen.
Das Forschungsteam lotet dabei die Grenzen der Vorhersagbarkeit aus, indem es auf die höchst dynamischen Nahrungsnetze von marinen und terrestrischen Artengemeinschaften im Wattenmeer fokussiert. „Hier gibt es starke regelmäßige, aber auch zufällige Veränderungen der Umweltbedingungen“, erläutert Landschaftsökologe Prof. Dr. Michael Kleyer, der ebenfalls am Vorhaben beteiligt ist. Die Übergänge zwischen Land- und Meereslebensgemeinschaften seien zudem fließend. „Dies ermöglicht es uns, die verschiedenen Teile von Nahrungsnetzen und ihre Wechselwirkungen übergreifend zu analysieren.“
Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die biologischen Merkmale von Arten, auf Englisch „traits“, die das Vorkommen, Ausbreiten und Überleben in verschiedenen Lebensräumen ermöglichen. Dazu gehört etwa die Fähigkeit von Pflanzen, bestimmte Nährstoffe wie Stickstoff aufzunehmen. Die Forschungsgruppe untersucht, ob sich anhand dieser Charakteristika der Arten vorhersagen lässt, welche Organismen sich in einer Lebensgemeinschaft ansiedeln.
„Dies liefert uns nicht nur ein grundlegendes Verständnis davon, wie Lebensgemeinschaften entstehen, sondern auch Anwendungsinformation“, erläutert Hillebrand. Aus den Ergebnissen von Experimenten und ökologischen Modellierungen lasse sich etwa ableiten, mit welchen Maßnahmen sich Ökosysteme so wiederherstellen lassen könnten, dass sich die gewünschten Arten etablieren. Die entsprechenden Experimente führt die Forschungsgruppe vor allem auf den im Jahr 2014 im Rückseitenwatt vor Spiekeroog errichteten künstlichen Inseln durch. Kontrollexperimente finden in den Salzwiesen von Spiekeroog statt.
In der ersten Projektphase haben die Forschenden bereits die Komponenten des Nahrungsnetzes auf Grundlage der Traits beschrieben. Dies erlaubt dem Team für verschiedene Organismen – von Einzellern bis Vögeln – zu verstehen, wieviel Ressourcen diese in Ausbreitung, Wechselwirkung mit anderen Arten und Toleranz gegenüber Umweltbedingungen investieren. „Es kann gar nicht genug gelobt werden, wie sehr das Team, vor allem die Promovenden und Postdocs, unter den Pandemiebedingungen die Experimente, Felduntersuchungen und Modellierungen vorangetrieben hat“, betont Hillebrand.
In der anstehenden zweiten Förderphase testen die Forschenden auf dieser Basis nun, wie sich rasch ändernde Umweltbedingungen und Störungen wie Stürme auf die Zusammensetzung der Merkmale in den Artengemeinschaften auswirken. Damit trage das Projekt zentral zur übergeordneten Frage bei, wie stabil Ökosysteme im Angesicht natürlicher und menschengemachter Änderungen sind, sagt Hillebrand. Denn das Funktionieren von Ökosystemen beruht auf der Fähigkeit von Organismen, Änderungen zu tolerieren oder sich danach rasch zu erholen. Den Weg in die neue Förderphase hat das Forschungsteam bereits durch erste grundlegende Arbeiten beschritten. Diese zeigen: Als zentral für die funktionelle Stabilität eines Ökosystems erweist sich, wie anpassungs- und erholungsfähig die Zusammensetzung der Arten ist.
Quelle Pressemeldung von Universität Oldenburg