Bilanz der Landesregierung nach einem Jahr

Bilanz der Landesregierung nach einem Jahr

Bilanz der Landesregierung nach einem Jahr

Am 8. November ist die rot-grüne Landesregierung seit einem Jahr im Amt. Aus Sicht der IHK Niedersachsen (IHKN) hat die Landesregierung in krisenbehafteten Zeiten zwar pragmatisch gehandelt – in vielen Politikfeldern vermissen die Unternehmen allerdings wichtige Impulse. In einigen Bereichen wie beispielsweise dem Ausbau der Breitbandinfrastruktur drohen sogar Rückschritte.

„Die Landesregierung hat in schwierigen Zeiten Kurs gehalten und beispielsweise mit Wirtschaftshilfen auf die exorbitant gestiegenen Energiepreise reagiert. Es ist auch aus Sicht der niedersächsischen Wirtschaft richtig, dass die jeweils aktuellen Probleme der Menschen und Betriebe Priorität haben. Daneben muss aber auch die langfristige Perspektive stimmen. In ihrem Einsatz für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, beispielsweise durch den konsequenten Abbau von Bürokratie oder beim Breitbandausbau, bleibt die Landesregierung aber hinter den Erwartungen der Wirtschaft zurück. Wir brauchen mehr Mut in Zeiten des Wandels“, resümiert Dr. Bernhard Brons, Präsident der IHK Niedersachsen.

Die IHK Niedersachsen bewertet die zentralen Politikfelder im Einzelnen so:

Energieversorgung und Erneuerbaren Energien:

Die Energie- und Rohstoffpreise haben sich zwar wieder etwas beruhigt, die längerfristigen Preise für Gas und Strom liegen aber nach wie vor auf einem Mehrfachen des Vorkrisenniveaus. Um insbesondere den hohen Strompreisen entgegenzuwirken, hat die Landesregierung Ende April ein Konzeptpapier für einen günstigen, wettbewerbsfähigen Strompreis vorgelegt, konnte dies aber noch nicht gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern zur Umsetzung bringen.

Im Land Niedersachsen selbst konnten Schritte in die richtige Richtung gemacht werden, beispielsweise die Forcierung des Netzausbaus oder die weitere Förderung von Wasserstoffvorhaben und -projekten. Positiv bewertet die IHKN ebenso, dass das Flächenziel aus dem Wind-an-Land-Gesetz unmittelbar in die Umsetzung gebracht wurde, wodurch die Landesregierung für Planungssicherheit bei der Flächenvergabe für Projektierer und Behörden gesorgt habe.

Verkehrsinfrastruktur und Mobilität:

Die Mittel für den Bau und den Erhalt von Landesstraßen wurden zwar erhöht, reichen allerdings bei Weitem nicht aus, um die bestehende Infrastruktur instand zu halten. Hierbei sind marode Brücken noch gar nicht berücksichtigt. Auch bei der Realisierung von neuen Projekten bleibt die Landesregierung hinter den Erfordernissen der Wirtschaft zurück: Selbst dort, wo das Land noch Planfeststellungsbehörde ist, sind keine wesentlichen Fortschritte bei vordringlichen Straßenprojekten zu verzeichnen. Auch der Ausbau bzw. die Verbesserung von Schienenprojekten stockt – Beispiele hierfür sind die Verzögerungen bei der Umsetzung des „optimierten Alpha-E“ oder die Ablehnung der Neubaustrecken Hamburg-Hannover und Hannover-Bielefeld.

Positiv geht das vom Land aufgelegte Elektrifizierungsprogramm in die Bilanz ein, wo allerdings noch keine messbaren Erfolge zu verzeichnen sind. Handlungsbedarf besteht weiterhin hinsichtlich einer Angebotsausweitung und Modernisierung des ÖPNV in der Fläche.

IHK in Weser Ems

Digitalisierung:

Als großen Fehler bewertet die IHKN, dass die Landesregierung ihren Ausstieg aus dem geförderten Breitbandausbau ab 2023/2024 angekündigt hat. Im Haushalt 2024 sind demnach keine Mittel mehr für den Landesanteil des geförderten Breitbandausbau vorgesehen. „Die finanzielle Förderung des Breitbandausbaus sollte beibehalten werden, um das Ziel einer besseren digitalen Infrastruktur zu erreichen“, betont Dr. Brons. Leider zeige sich aber auch in anderen Politikfeldern, dass die Landesregierung keinen wirklichen Fokus auf Digitalisierungsthemen lege. So sei bis dato noch kein Nachfolgeprogramm für „Digital aufgeLaden“ in Sicht, um niedersächsische Einzelhändlerinnen und Einzelhändler bei Fragestellungen rund um die Digitalisierung zu unterstützen. Ebenso komme auch die Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft im ländlichen Raum nur zögerlich voran.

Fachkräfte und Bildung:

Als positiv bewertet die IHKN die Fortsetzung und Weiterentwicklung der Fachkräfteinitiative. Diese habe mit den Themen Fachkräfteeinwanderung und „Weiterbildung durch Transformation“ zwei der zentralen Handlungsfelder für eine gelingende Fachkräftesicherung definiert und mit entsprechenden Maßnahmen unterlegt. Durch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz im Bund können in Kürze Fachkräfte mit Berufsausbildung und Personen mit berufspraktischen Kenntnissen leichter nach Deutschland einwandern – dies sollte nun auch durch das Land Niedersachsen flankiert werden, beispielsweise durch eine Zentrale Ausländerbehörde zur Beschleunigung von Verfahren.

Im Bereich Bildung enthalte der Koalitionsvertrag zwar einige Vorhaben, die in die richtige Richtung gingen – beispielsweise das 29 Euro-Ticket für Auszubildende oder das BBS-Stärkungsprogramm. Bisher sei hierzu allerdings kaum etwas konkret auf den Weg gebracht worden. So habe sich die IT-Infrastruktur und IT-Ausstattung insbesondere durch Maßnahmen des Digitalpaktes zwar verbessert, der Stand an den jeweiligen Schulen sei aber noch recht unterschiedlich.

Förderung von Innovationen und Start-ups:

Positiv bewertet die IHKN, dass die Landesregierung zur Bewältigung anstehender Transformationsprozesse auf neue Technologien setzt und die Förderung von Startups – auch in ländlichen Räumen – einen Schwerpunkt bilden. Wesentliche Förderprogramme wie z.B. die Förderung von StartUp-Zentren, das Gründungsstipendium oder Niedersachsen-Invest wurden innerhalb des letzten Jahres fortgesetzt. Weniger erfreulich ist hingegen die verschärfte Bürokratie bei Anträgen in diesem Bereich, insbesondere im Zusammenhang mit dem „KMU-Testat“.

Bürokratie:

Auf der Haben-Seite der Landesregierung stehe, dass sie die Projektförderung der Clearingstelle des Landes Niedersachsen bis Ende 2024 verlängert habe. Die Clearingstelle sei ein wichtiger Hebel, mit dem Gesetze und Verordnungen mittelstandsfreundlich und praxisnah gestaltet werden könnten, so Dr. Brons. Darüber hinaus sei leider wenig Initiative von Seiten der Landesregierung erkennbar, um die Bürokratiebelastung der Unternehmen wirksam zu senken. Um dies zu erreichen, fordert die IHKN unter anderem die seit 2015 für die Bundesregierung geltende Bürokratiebremse („One in, one out“-Regel) als Mindeststandard auch auf Landesebene einzuführen.

Steuerpolitik und Öffentliche Finanzen:

In der Steuerpolitik bedauert die IHKN, dass keinerlei Bestrebungen hin zu einem einfacheren und wettbewerbsfähigeren Steuersystem erkennbar seien. Im Gegenteil zeige die jüngst veröffentlichte Hebesatzumfrage, dass der Trend hin zu weiteren Steuererhöhungen zunehme. Hier sei das Land gefordert, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, beispielsweise durch eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs (KFA).

„Unter Berücksichtigung der aktuellen Rahmenbedingungen ist die bisherige Arbeit der Landesregierung in der Tendenz zwar als positiv zu bewerten. Für die restliche Legislaturperiode muss die Landesregierung jedoch ihren vielfältigen Ankündigungen mutig Taten folgen lassen. Die niedersächsische Wirtschaft braucht dringend die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit“, so Dr. Brons abschließend.