
Haben übergewichtige Menschen im Beruf schlechtere Chancen?
Wonach suchen Personaler eigentlich potenzielle Kandidaten für einen Job aus? Das Talent allein ist nicht entscheidend, wie bereits in vielen Studien eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde. Menschen mit Übergewicht wurden und werden strukturell benachteiligt, da sie unter Stigmatisierung und Vorurteilen leiden. Wie sich das in der Praxis bemerkbar macht und warum das so problematisch ist, wird nachfolgend genauer beleuchtet.
Der disziplinlose, faule Mensch mit Übergewicht
Wie eine umfangreichen Abnehmstudie belegte, sind Menschen mit Übergewicht bereit, eine ganze Menge dagegen zu tun. Mit dem Abnehmen hapert es aber meistens. Durch Möglichkeiten wie die neue Abnehmspritze scheint endlich der Wendepunkt gefunden – hat das dann auch Auswirkungen auf den Job? Tatsächlich ist Übergewicht mit unzähligen Stigmata behaftet, von denen wir nur einige beispielhaft aufzählen wollen.
- Wer dick ist, wird schneller krank
- Dicke Leute sind nicht repräsentativ
- Faulheit ist Menschen mit Übergewicht in die Wiege gelegt
- Dicke essen nur und arbeiten nicht
- Wer undiszipliniert beim Essen ist, kann im Job nichts leisten
Wie viel Wahrheit steckt hinter den Behauptungen?
Im ersten Moment mögen wir entsetzt an Diskriminierung denken und nichts anderes ist es auch. Es gibt ganz sicher viele fleißige, kluge, arbeitswillige Personen, deren Körpergewicht bzw. BMI über der Norm liegt. Aber ganz von der Hand zu weisen sind Ängste und Argumente von Arbeitgebern nicht.
Insbesondere wenn es um das Krankheitsthema geht, ist Adipositas zumindest ein Risikofaktor für Folgeerkrankungen. Wir müssen aber klar zwischen „Mehrgewicht“ und krankhafter Adipositas unterscheiden. 90/60/90 sollte wohl niemand mehr für seinen Job brauchen, selbst in der Modelszene ist man heute offener für die Diversität des Körpers.
Leidet ein Mensch aber unter Adipositas per Magna und damit unter starkem, krankhaftem Übergewicht, hat das durchaus Auswirkungen auf den Alltag. In einem Job mit viel Bewegungen ist dieses Übergewicht hinderlich. Wer in einem Nagelstudio den ganzen Tag auf den Beinen steht, gefährdet womöglich die Gesundheit der Gelenke.
Ist es also nachvollziehbar, wenn Arbeitgeber keine „Dicken“ einstellen wollen?
Leistung wichtiger als Körpergewicht
Auch wenn es nicht schön ist, Bewerber schon aufgrund ihrer Körperfülle auszusieben, ist die Intention vieler Arbeitgeber doch wenigstens nachvollziehbar. In Berufen des Gesundheits-und Pflegebereichs beispielweise kommt es auf Schnelligkeit, Dynamik und Beweglichkeit an. Es ist doch völlig verständlich, dass eine Person mit starkem Übergewicht die Ansprüche nicht erfüllen kann.
Dennoch sollten Arbeitgeber sich die Frage stellen, ob sie persönlich einen Nachteil durch das erhöhte Körpergewicht des Bewerbers haben. Das Argument der Repräsentativität zählt jedenfalls nicht, denn wer einen Menschen nach seinem Aussehen bewertet oder abwertet, sollte dringend an den eigenen Werten arbeiten.
Ein interessanter Fakt ist, dass Frauen von Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts stärker betroffen sind als Männern. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung wird beim Mann vom „Wohlstandsbäuchlein“ gesprochen, bei der Frau von „zu dick“. Dieses Geschlechtsungleichgewicht zeigt, wie stark Stigmata noch in unseren Köpfen vorhanden sind und wie wichtig es wäre, sie zu überdenken. Denn letztlich kommt es bei der Jobvergabe eben nicht aufs Gewicht an, sondern auf die Ausbildung und Leistungsbereitschaft.