Smarter Wurst-Einkauf

Smarter Wurst-Einkauf
Markus Leggedör zeigt das Kassensystem. An den eingemachten Rinderrouladen ist ein RFID-Code angebracht, den der Scanner erfasst. Foto: HWK/W.Feldmann

Smarter Wurst-Einkauf

Die Fleischerei Leggedör in Weener hat den ersten personallosen Selbstbedienungsladen in der Fleischerbranche Ostfrieslands eröffnet. Der Obermeister der Fleischerinnung Leer gilt als Vorreiter in Sachen Neuentwicklungen.

„Darf‘s ein bisschen mehr sein“, fragt im neuen Sechzehnzusieben-Shop der Fleischerei Leggedör in Weener keiner. Der Betrieb läuft an der Süderstraße ohne Verkaufspersonal. Dafür kann man per App die Lieblingswurst vorbestellen und auch nach Feierabend und an Feiertagen aus dem umfangreichen Sortiment in den Kühltruhen und Regalen auswählen, was das Herz begehrt. Dank einer smarten Einkaufslösung auf 50 Quadratmetern ist dies an sieben Tagen die Woche von 6 bis 22 Uhr möglich.

Markus Leggedör hat gemeinsam mit seiner Frau Bärbel den personallosen Selbstbedienungsladen an der Rückseite des klassischen Verkaufsgeschäftes der Fleischerei eröffnet. Los ging es zu den Osterfeiertagen „ganz ohne Eröffnungs-Brimborium. Darum geht es dabei“, erklärt der Fleischermeister. Das Geschäft müsse auch ohne persönliche Ansprache laufen. Anders als bei einem Kiosk oder Späti „wollten wir ein Einkaufs-Highlight mit Biohofladen-Atmosphäre schaffen“. Die Preise entsprechen denen am Verkaufstresen. Zu 85 Prozent werden Waren aus eigener Herstellung angeboten sowie Produkte, „die wir cool finden, aber auch nicht zu abgehoben sind“. Neben Fleisch- und Wurstwaren gibt es Käse, Molkereiprodukte, Backwaren, Eier, Nudeln, Öl, Kartoffeln, Wein und Honig von Biohofläden aus der Region sowie Präsente und Gläser mit eingekochten Gerichten.

Bis jetzt werde das Angebot sehr positiv angenommen, zieht der Obermeister ein Resümee. Die Fleischerei hätte sogar Kunden hinzugewonnen, die das anonyme Einkaufen ohne Drängelei zu Stoßzeiten und Anstehen in langen Warteschlangen auch nach Ladenschluss bevorzugten. Es sei eine spannende Zeit. „An den Wochenenden läuft es richtig gut. An den Feiertagen noch besser. Dann ist der Shop Gold wert und wird zu einer richtigen Pilgerstätte“, berichtet der Meister. Spitzenwerte verzeichnete der 1. Mai, an dem viele für eine spontane Grillparty eingekauft hätten. 250 Kunden an einem Tag.

Ganz ohne Personal geht es nicht

Insgesamt drei Mitarbeitende sind in der Woche für wenige Stunden damit beschäftigt, die Ware aufzufüllen. Denn so ganz ohne Personal geht es dann doch nicht. Ausgestattet ist das System mit modernster Technologie wie RFID-Labels, Touchpad, Modem, Kameras und Sensorik. Ein Warenmanagement im Hintergrund, welches auch an bestehende Wirtschaftssysteme angebunden werden kann, ermöglicht eine einfache Handhabung. Dank künstlicher Intelligenz, die Bedarfsvorhersagen steuert und zeitnahe App-Benachrichtigungen können die Regale schnell wieder aufgefüllt werden.

Mit Blick auf die Investition von 150.000 Euro in den Umbau, das Softwaresystem und die Kühleinheiten werden diese Ausgaben locker in der Fünf-Jahres-Planung eingespielt, schätzt der Fleischermeister. Die Kundendaten und der Warenbestand werden Leggedör aufs Smartphone geschickt. Rund 4.400 Kunden hätten sich online registriert und bisher 7.000 Käufe getätigt. Schnell könne nachvollzogen werden, wer den 16/7-Shop betritt und was gekauft wird. Ladendiebstahl sei dadurch fast unmöglich. Auch der Support wäre rund um die Uhr erreichbar. Ein Internetausfall beispielsweise hätte Leggedör selbst schnell beheben können.

Smarter Selbstbedienungsladen einfach in der Handhabung

Das Prinzip ist dabei simpel: Nach erfolgreicher Online-Registrierung mit Kontaktdaten und Bankverbindung erhält der User einen QR-Code, der per Smartphone oder per Ausdruck über einen Türscanner den Zugang in den SB-Laden frei gibt. Im Geschäft wählt man die Waren aus und legt diese in den Kassenterminal. Selbst scannen entfällt. Das System erkennt automatisch, was bezahlt werden soll. Die bargeldlose Kasse greift auf die vom QR-Code hinterlegten Zahlungsmethode zu.

Leggedör ist in Sachen digitaler Entwicklung als Vorreiter bekannt. So konnte er im Vorfeld eine Vorbestell-App erfolgreich etablieren. Mit einem Wurst-o-mat vor einigen Jahren hingegen hätte das Ehepaar schlechte Erfahrungen mit Vandalismus, Technikausfällen und Nachfüllproblemen gesammelt. Die Idee zur neuen smarten Einkaufslösung ist vor rund drei Jahre gereift. In der Fleischerbranche spitzt sich der Fachkräftemangel immer weiter zu. Wechseln Fachverkäuferinnen in die Elternzeit, sei Ersatz nur schwer zu finden, berichtet der Meister. Momentan arbeite der Betrieb mit einigen Quereinsteigern. Bewerber für die Ausbildung zum/zur Fleischer/in, Fachverkäufer/in und Koch/Köchin gebe es nur selten. Vor drei Jahren wären die letzten Azubis im Verkauf ausgebildet worden, sogar mit Auszeichnung.

Innovative Wege in der Fleischerbranche gehen

Obwohl das Familienunternehmen auf ein gutes Betriebsklima und gute Bezahlung setzt, „kommt nichts nach und ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass sich die Lage bessern wird“, meint Leggedör. So hätte er seine Optionen abgewägt: Aufgrund des schwindenden Personals die Geschäftszeiten verringern und dadurch Umsatzeinbußen hinnehmen. Oder einen innovativen Weg gehen, der sich in Süddeutschland als Trend aufzeigt.

Dort schaute er sich einige bestehende Konzepte der Firma SmartStore24 aus Augsburg an und war überzeugt. Rund 50 SB-Läden des Unternehmens seien bereits in Deutschland etabliert. Bis jetzt ist er mit der Leistung und dem Support „sehr zufrieden“. Das Flaggschiff sei natürlich immer noch das Ladengeschäft an der Frontseite. „Die persönliche Beratung durch Fachpersonal ist immer noch wichtig und gewollt“, sagt der Weeneraner. Mit rund 35 Mitarbeitenden, davon 18 im Verkauf, bietet das Ehepaar ein breites Sortiment aus hundertprozentiger Eigenherstellung – eine Besonderheit in der Branche – in Biohofqualität und mit höchstem Anspruch ans Tierwohl an.

Alles, was zum Ladenschluss nicht verkauft wurde, wird im SB-Shop aufgefüllt. Zum Wochenende und an den Feiertagen wird der „Warenbestand nochmals hochgefahren“. Derzeit laufen beide Geschäfts-Konzepte parallel. Perspektivisch will sich das Ehepaar „das Leben leichter machen“. Der Masterplan ist, den Verkauf zu entlasten und die regulären Öffnungszeiten zu verringern. „Bis jetzt sind wir da auf einem guten Weg“, sagt Markus Leggedör.

Pressemitteilung von: Handwerkskammer Ostfriesland