Fleisch- und Wurstindustrie im Wandel

Fleisch- und Wurstindustrie im Wandel. Veggie, Bio, Vegan - wo geht es hin? Trend, Modeerscheinung oder echtes neues Geschäft
Fleisch- und Wurstindustrie im Wandel. Veggie, Bio, Vegan - wo geht es hin? Trend, Modeerscheinung oder echtes neues Geschäft

Fleisch- und Wurstindustrie im Wandel

Das Bewusstsein für Fleisch- und Wurstkonsum hat sich in Deutschland in den letzten Jahren stark verändert. Obwohl Deutschland noch immer das Land mit den meisten Wurstsorten ist, essen mittlerweile nur noch 28% der Deutschen täglich Fleisch und Wurst. Es wird davon ausgegangen, dass in Deutschland in etwas 8 Millionen Vegetarier und 1,3 Millionen Veganer leben.

Und die Zahl der Menschen, die fleischlos leben, steigt. Dementsprechend hat sich für Wursthersteller ein neuer Markt aufgetan: Fleischersatz und Veggie-Wurst mit Kunstdarm. Doch auch die Fleischesser hat die Wurstindustrie im Blick. Sie begegnet dem neuen Bewusstsein für gewissenhaften Fleischkonsum mit mehr Bio-Produkten. In diesem Beitrag erfahren Sie mehr über die neuen Trends und Entwicklungen.

Veggie – nur ein Trend oder ein neuer Markt?

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte gewinnen an Bedeutung. Hersteller versuchen, Geschmack und Konsistenz dieser Produkte an nicht-vegetarische Produkte anzugleichen. Veggie-Produkte bestehen in der Regel aus tierischem oder pflanzlichem Eiweiß, Milch oder Soja. Veggie-Wurst ist mit Kunstdarm aus Kollagen umhüllt statt mit Naturdarm vom Rind, Schwein oder Schaf.

Diese vegetarischen oder veganen Lebensmittel wurden in der Vergangenheit häufig wie Wurst- und Fleischprodukte benannt. In den Regalen standen dann beispielsweise „vegetarische Schnitzel“ oder „vegane Schinkenwurst“. Die deutsche Lebensmittelbuch-Kommission hat nun neue Leitsätze darüber herausgegeben, wie Bezeichnungen für Fleischersatzprodukte lauten sollten. Die Faustregel ist: Je stärker das vegetarische oder vegane Produkte seinem tierischen Pendant ähnelt, desto ähnlicher darf die Bezeichnung hierfür sein. Und Ähnlichkeit ist etwas, worum sich die Hersteller von Fleischersatzprodukten besonders bemühen.

 

Nicht jeder ist überzeugt von Fleischersatzprodukten

Nicht ähnlich genug jedoch waren die vegetarischen Würste dem Chef von Deutschlands größtem Schlachterkonzern, Clemens Tönnies. Dieser war 2015 unter der Marke „Gutfried“ in die Produktion von Veggie-Produkten eingestiegen, hatte die hauseigene Veggie-Wurst mehrmals probiert – und nicht für lecker befunden. Er beschloss daher, nur noch eine statt sieben Varianten vegetarischer Wurst anzubieten.

Tönnies glaubt nicht daran, dass sich Fleischersatzprodukte lange auf dem Markt halten werden und setzt daher weiter auf tierische Produkte. Trotz des sinkenden Fleischkonsums schlachtet der Konzern jedes Jahr mehr Tiere und konnte seinen Umsatz auf sieben Millarden Euro steigern. Aus der Schlachterei von Bio-Schweinen ist Tönnies schon 2009 ausgestiegen, da es für das Unternehmen nicht rentabel war.

Der „First Mover“ im Bereich Veggie: Rügenwalder Mühle

Eine ganz andere Haltung zu Veggie- und Bio-Produkten hat Godo Röben, Geschäftsführer des Wurstherstellers „Rügenwalder Mühle“. Er erwirtschaftet bereits einen Viertel seines Umsatzes mit Fleischersatzprodukten, bis 2020 sollen es 40 Prozent sein. Röben ist überzeugt davon, dass der Konsum von vegetarischen und veganen Alternativen mehr als nur ein Trend ist und auch vor dem Hintergrund der Klimaproblematik noch mehr an Bedeutung gewinnen wird.

„Regenwalder Mühle“ gilt als Begründer der Veggie-Wurst-Thematik in Deutschland und produziert seit 2015 ganz unterschiedliche vegetarische Fleischersatzprodukte, wie beispielsweise den vegetarischen Schinkenspicker, „Salami“, „Streichwurst“ oder auch vegetarische „Schnitzel“, „Frikadellen“ und „Hamburger“. Langfristig gesehen möchte das Unternehmen alle vegetarischen Produkte vegan und bio produzieren und setzt dabei vor allem auf Erbsenprotein.

Doch auch für die Fleischkonsumenten unter ihren Kunden entwickelt die „Rügenwalder Mühle“ neue Produkte. Der Wursthersteller möchte mit Bio-Produkten einen Schritt in Richtung artgerechte Tierhaltung machen. Wie auch bei den Veggie-Produkten begann diese Entwicklung beim „Schinken Spicker“. Im Sortiment sind außerdem mittlerweile die „Bio Pommersche“ und die „Bio Mühlen Bratwurst“.

Der Kunstdarm – eine wichtige Entwicklung nicht nur für Veggie-Wurst

Einen wesentlichen Marktanteil haben Kunstdärme mittlerweile erlangt. Sie sind die Alternative zur traditionellen Wurstpelle aus Naturdärmen und schützen die Wurst effektiver vor Pilzen und Keimen. Ein Kunstdarm kann essbar oder nicht essbar sein. Es gibt verschiedene Arten von Kunstdärmen, die aus unterschiedlichen Materialien bestehen. Vor allem für vegetarische Produkte ist der Kunstdarm als Wursthülle unverzichtbar, doch auch in der traditionellen Wurstherstellung hält der Kunstdarm seit etwa zwei Jahrzehnten Einzug.

Für einen knackigen Biss sorgen essbare oder auch nicht essbare Kunstdärme aus Kollagen, tierischem Eiweiß. Fasergerüstdarme sind nicht essbar, eignen sich jedoch sehr gut zum Räuchern, da sie mitschrumpfen. Auch Kunststoffdärme und Schäldärme sind nicht essbar, letztere werden jedoch nach dem Räuchern entfernt, weil sich dann aus dem Fleischeiweiß eine Eigenhaut um die Wurst gebildet hat. Essbare vegane Wurstpelle wird aus Algenextrakt hergestellt.