Strafverfahren gegen Verantwortliche der Steinhoff Gruppe wegen unrichtiger Darstellung in Bilanzen u.a. Überblick Anklagevorwürfe und Verfahrensstand

Strafverfahren gegen Verantwortliche der Steinhoff Gruppe wegen unrichtiger Darstellung in Bilanzen u.a. Überblick Anklagevorwürfe und Verfahrensstand

Strafverfahren gegen Verantwortliche der Steinhoff Gruppe wegen unrichtiger Darstellung in Bilanzen u.a. Überblick Anklagevorwürfe und Verfahrensstand

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg wirft dem Angeklagten J. als ehemaligen CEO der Steinhoff International Holdings Ltd. im Alter von 62 Jahren und dem Angeklagten E. als Treuhänder einer Gesellschaft (Ltd.) im Alter von 72 Jahren die Anstiftung bzw. Beihilfe zur unrichtigen Darstellung in Bilanzen nach § 331 HGB vor.

Der Angeklagte J. soll in fünf Fällen gesondert verfolgte Geschäftsführer konzernzugehöriger – inländischer – Gesellschaften zur unrichtigen Darstellung in Bilanzen gemäß § 331 angestiftet haben. Der Angeklagte E. soll zu vier dieser Taten Hilfe geleistet haben.

Hinsichtlich einer weiteren den Angeklagten vorgeworfenen Tat (vormalige Ziffer 1 der ursprünglichen Anklageschrift) wurde das Verfahren wegen Verjährung nicht eröffnet. Aufgrund dessen hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg eine neue Anklageschrift verfasst, in dem nur noch die eröffneten fünf Taten enthalten sind.

Urteilsverkündung im Strafverfahren gegen Verantwortliche der Steinhoff Gruppe

Der Angeklagte J. ist zum Hauptverhandlungstermin am 18.04.2023 nicht erschienen. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat im Termin die Aussetzung des Verfahrens sowie den Erlass eines Haftbefehls beantragt. Die Kammer hat das Verfahren gegen den Angeklagten J. ausgesetzt und wird im Nachgang über den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls entscheiden. Hierüber wird zu gegebener Zeit dann eine gesonderte Pressemitteilung ergehen.

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Sodann wurde die Anklageschrift betreffend den Angeklagten E. im Hauptverhandlungstermin am 18.04.2023 hinsichtlich der ihm vorgeworfenen vier Taten verlesen. Eine weitere Tat, die dem Angeklagten J. zur Last gelegt wird, wurde aufgrund dessen Abwesenheit im Termin nicht verlesen. Im Nachfolgenden erfolgt eine Zusammenfassung der verlesenen vier Taten.

II. Konkrete Tatvorwürfe

Durch schwer nachvollziehbare Scheingeschäfte mit einem unüberschaubaren Geflecht von Gesellschaften sowie durch die überhöhte Bewertung von Anlagevermögen sollen die Angeklagten mit zwei gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführern von deutschen Tochtergesellschaften der Steinhoff International Holdings Ltd. in Bilanzen im europäischen Teil des Konzerns auflaufende Verluste verschiedener Tochtergesellschaften verschleiert und darüber hinaus vermeintliche Gewinne für den Gesamtkonzern realisiert haben.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg wirft dem Angeklagte J. vor, er habe als CEO der Konzernmutter in Südafrika ein bestimmtes Konzernergebnis gefordert und hierfür sodann entsprechend Zahlen des europäischen Konzernteils benötigt. Diese Zahlen habe er einem der beiden gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführern der Tochtergesellschaften mitgeteilt, welcher sodann versucht habe, über Scheingeschäfte die entsprechenden Zahlen für die Bilanzen verschiedener Tochterunternehmen und damit letztlich auch für die entsprechenden Jahresabschlüsse des Konzerns zu realisieren. Hierfür seien die Ergebnisse der europäischen Tochterunternehmen vorab ermittelt worden, um sodann die benötigte Höhe der zu manipulierenden Gewinne als Differenz des tatsächlichen Ergebnisses zu dem vom Angeklagten J. vorgegebenen Ergebnis zu berechnen. Die benötigte Gewinnhöhe sei sodann durch Verbuchung von Scheingeschäften ausgewiesen und in die Bilanzen mit den entsprechenden Werten eingestellt worden.

Tat 1:

Um den vom Angeklagten J. benötigten Gewinn zu erzielen, habe dieser gemeinsam mit dem gesondert verfolgten damaligen Geschäftsführer der Steinhoff Europe Service GmbH (SEGS) im Wirtschaftsjahr 2010/2011 den Plan gefasst, diesen über den An- und Verkauf von inaktiven Gesellschaften zu generieren.

Zur Umsetzung des An- und Verkaufs habe der gesondert verfolgte Geschäftsführer in Absprache mit dem Angeklagten J. sich an den Angeklagten E. gewandt und ihn gebeten, ihnen eine Offshore Gesellschaft auf den British Virgin Islands zur Verfügung zu stellen, die bereits am 01.07.2010 existent gewesen sein musste, vom 01.07.2010 bis Ende Juni 2011 in der Steinhoff-Gruppe bleibe und dann an die Talgarth Capital Ltd. mit Sitz auf den British Virgin Island verkauft werden sollte. Hierfür habe der Angeklagte E. mit E-Mail vom 13.07.2011 in Kenntnis der geplanten Vorgehensweise hinsichtlich des Scheingeschäfts die im März 2010 gegründete Vorratsgesellschaft „Winecott Ltd.“ vorgeschlagen. Mit einem auf den 14.09.2010 rückdatierten Anteilsübertragungsvertrag habe ein deutsches Tochterunternehmen der SEGS, die Tau Enterprises GmbH, vertreten durch den gesondert verfolgten Geschäftsführer, die Anteile an der Vorratsgesellschaft zu einem Kaufpreis von 60.000,00 EUR zum 01.07.2010 gekauft. Der vereinbarte Kaufpreis sei am 14.11.2011 gezahlt worden. Sodann sei ein auf den 30.06.2011 rückdatierter Anteilskaufvertrag zwischen der Tau Enterprises GmbH und der Talgarth Capital Ltd., vertreten durch den Angeklagten E., geschlossen worden mit einem vereinbarten Kaufpreis von 840.000.000,00 EUR.

Der An- und Verkauf der Geschäftsanteile an der „Winecott Ltd.“ sei bei der Tau Enterprises GmbH einheitlich am 18.08.2011 gebucht worden. In der Bilanz sei der Verkauf unter „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ als „Forderung aus Verkauf Beteiligung Winecott“ in Höhe von 840.000.000,00 EUR verbucht worden. In der GuV sei der Verkauf als vermeintlich ordnungsgemäß erzielter Erlös in „sonstige betriebliche Erträge“ aus Anlageabgängen in Höhe von 839.940.000,00 EUR verbucht worden.

Aufgrund dieses Scheingeschäfts sei ein angeblicher Jahresüberschuss von 828.674.931,39 EUR ausgewiesen worden. Ohne dieses und weitere Scheingeschäfte hätte ein Jahresfehlbetrag von 507.345,32 EUR ausgewiesen werden müssen.

Um einer etwaigen notwendigen Wertberichtigung der in der Bilanz verbuchten „Forderung aus Verkauf Beteiligung Winecott“ gegen die Talgarth Capital Ltd. vorzubeugen, habe die damalige Europa Holding Steinhoff Europe AG (SEAG) und die Steinhoff Finance Holding GmbH (SFHG) im Jahr 2014 rückwirkend eine auf den 20.06.2011 mit „letter of comfort“ überschriebene Garantieerklärung für die außerhalb des Konzerns stehende Talgarth Capital Ltd. abgegeben. Unterzeichnet habe diese für die SEAG einer der gesondert verfolgten Geschäftsführer und für die SFHG der Angeklagte J..

Der Jahresabschluss der Tau Enterprises GmbH soll auch Auswirkungen auf die Konzernbilanzen der SEAG und SFHG auf den 30.06.2011 gehabt haben.

Taten 2 und 3:

Auch im Wirtschaftsjahr 2011/2012 soll es zu weiteren Scheingeschäften durch den Verkauf von Anteilen einer inaktiven Firma an die Ltd. des Angeklagten E. gekommen sein.

Die gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführer hätten zur Erreichung des vom Angeklagten J. vorgegebenen Gewinnwertes von min. 700.000.000,00 EUR aus Scheingeschäften vereinbart, hierfür neben der Tau Enterprises GmbH eine weitere Tochtergesellschaft für den Erwerb und Verkauf von Gesellschaftsanteilen zu gründen. Hierfür sei sodann die Omega Vorratsgesellschaft GmbH am 06.03.2012 errichtet worden. Als inaktive Gesellschaft sollte für den An- und Verkauf die Firma „Top Retail Investment(s) AG“ fungieren, deren alleiniger Vorstand einer der gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführer war.

Mit schriftlichen Kaufvertrag vom 01.04.2012 sei von der TOP Global Investment GmbH die „Top Retail Investment(s) AG“ zu 5 % an die Tau Enterprises GmbH und zu 95 % an die Omega Enterprises GmbH verkauft worden. Als Kaufpreis seien 5.000 EUR für die Tau Enterprises GmbH und 95.000 EUR für die Omega Enterprises GmbH vereinbart worden, welcher zum 10.06.2012 fällig sein sollte. Dies entspreche einem Aktiennennwert von 100,00 EUR je Aktie. Die Verkäuferin und die Käuferinnen seien hierbei jeweils von einem der beiden gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführer vertreten worden. Bei der Verkäuferin handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Talgarth Capital Ltd.. Die Firma „Top Retail Investment(s) AG“ sei sodann in die „AMB Investment Holding AG“ umfirmiert worden.

Mit getrennten Anteilskaufverträgen vom 29.06.2012 seien die jeweiligen Anteile an der inaktiven „AMB Investment Holding AG“ von der Tau Enterprises GmbH und der Omega Enterprises GmbH jeweils an die Talgarth Captial Ltd. verkauft worden zu vereinbarten Kaufpreisen von 16.250.000,00 EUR (Tau Enterprises GmbH) und 308.750.000 EUR (Omega Enterprises GmbH), mithin zu einem Preis von 325.000,00 EUR pro Aktie. Der Verkauf sei durch die gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführer und den Angeklagten E. abgewickelt worden.

Die Begleichung des Kaufpreises an die Tau Enterprises GmbH und die Omega Enterprises GmbH sei dann jedoch nicht wie vereinbart, durch Vorlage von Wechseln der Aussteller Tau Enterprises GmbH und Omega Enterprises GmbH durch die Bezogene, die Talgarth Capital Ltd., erfolgt, sondern durch den Ausgleich von Konten der Tau Enterprises GmbH und Omega Enterprises GmbH durch die SFHG.

In der Bilanz der Tau Enterprises GmbH sei der Verkauf unter „Forderungen aus Lieferung und Leistungen“ als „Forderung aus Verkauf Beteiligung AMB“ in Höhe von 16.250.000,00 EUR und bei der Omega Enterprises GmbH entsprechend in Höhe von 308.750.000,00 EUR verbucht worden. In der GuV sei der Verkauf als vermeintlich ordnungsgemäß erzielter Erlös in „sonstige betriebliche Erträge“ aus Anlageabgängen in Höhe von 16.245.000,00 EUR bei der Tau Enterprises GmbH und in Höhe von 308.655.000,00 EUR bei der Omega Enterprises GmbH verbucht worden.

Aufgrund dieses Scheingeschäfts sei ein angeblicher Jahresüberschuss von 16.122.266,43 EUR bei der Tau Enterprises GmbH und in Höhe von 305.584.635,56 EUR bei der Omega Enterprises GmbH ausgewiesen worden. Ohne dieses Scheingeschäft sowie weitere Scheingeschäfte hätte ein Jahresfehlbetrag von mindestens 522.746,24 EUR bei der Tau Enterprises GmbH und 516.118,98 EUR bei der Omega Enterprises GmbH ausgewiesen werden müssen.

Um einer etwaigen notwendigen Wertberichtigung der in der Bilanz verbuchten „Forderung aus Verkauf Beteiligung AMB“ gegen die Talgarth Capital Ltd. vorzubeugen, habe die Steinhoff Finance Holding GmbH (SFHG) im Jahr 2014 rückwirkend zwei auf den 25.06.2012 mit „letter of comfort“ überschriebene Garantieerklärungen für die außerhalb des Konzerns stehende Talgarth Capital Ltd. abgegeben. Unterzeichnet habe diese für die SFHG einer der gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführer.

Die Jahresabschlüsse der Tau Enterprises GmbH und der Omega Enterprises GmbH sollen auch Auswirkungen auf die Konzernbilanzen der SFHG auf den 30.06.2012 gehabt haben.

Tat 4:

Im Wirtschaftsjahr 2012/2013 soll der fiktive Verkaufspreis der wirtschaftlich inaktiven Firma, die bereits Gegenstand der Taten zu Ziffer 2 und 3 war, nachträglich noch einmal erhöht worden sein.

In Nachträgen zu den ursprünglichen Anteilskaufverträgen jeweils vom 17.07.2013 sei der vereinbarte Kaufpreis um 17.500.000,00 EUR zugunsten der Tau Enterprises GmbH und in Höhe von 332.500.000,00 EUR zugunsten der Omega Enterprises GmbH erhöht worden, sodass ein Gesamtkaufpreis von 675.000,00 EUR pro Aktie, mithin 675.000.000,00 EUR insgesamt vorgelegen habe. Die Nachträge hätten erneut die gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführer sowie der Angeklagte E. unterzeichnet.

Hierdurch soll die Omega Enterprises GmbH weitere Forderung aus dem Verkauf der Anteile der wirtschaftlich inaktiven Firma unter „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“ unter „sonstige Vermögensgegenstände“ in Höhe von 332.500.000,00 EUR sowie in der GuV als vermeintlich ordnungsgemäß erzielte „sonstige betriebliche Erträge“ in Höhe von 329.763.691,36 EUR verbucht haben.

Ohne dieses Scheingeschäft und sonstige Scheingeschäfte hätte für die Omega Enterprises GmbH zum 30.06.2013 ein Jahresfehlbetrag von 1.111.387,41 EUR ausgewiesen werden müssen.

Um einer etwaigen notwendigen Wertberichtigung der in der Bilanz verbuchten „Forderung aus Verkauf Beteiligung AMB“ gegen die Talgarth Capital Ltd. vorzubeugen, habe die SFHG im Jahr 2014 rückwirkend eine auf den 04.06.2013 mit „letter of comfort“ überschriebene Garantieerklärung für die außerhalb des Konzerns stehende Talgarth Capital Ltd. abgegeben. Unterzeichnet habe diese für die SFHG einer der gesondert verfolgten ehemaligen Geschäftsführer sowie der Angeklagte J..

Der Jahresabschluss soll Auswirkungen auf die Konzernbilanzen gehabt haben.

In der Bilanz zum 30.06.2014 sei dann anstelle des tatsächlichen Kaufpreises von 452.417.000,00 EUR unter der Position „Anteile an verbundenen Unternehmen“ ein Wert von 1.272.478.000,00 EUR ausgewiesen worden, der sich aus dem Kaufpreis, der angerechneten angeblich geleisteten Anzahlung an Talgarth Capital Ltd. sowie der vermeintlichen Provisionszahlung zusammengesetzt habe. Somit seien 820.061.000,00 EUR zu viel für die Beteiligung an den Immobiliengesellschaften ausgewiesen worden.

III. Vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen den Angeklagten E.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg hat die Kammer das Verfahren gegen den Angeklagten E. nach dessen Einlassung zur Sache gem. § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 30.000,00 EUR vorläufig eingestellt.

Pressemeldung von  Landgericht Oldenburg