Globale Lieferketten für Antriebskomponenten: Herausforderungen in der Beschaffung
Die internationale Produktion und Distribution von kritischen Bauteilen wie der Permanentmagnet der Synchronmotoren bei E-Autos, Halbleitern oder sogar die Kardanwelle stellt Unternehmen wie vor immense Herausforderungen. Die vielschichtige Struktur der vorgelagerten Lieferkette in der Automobilindustrie wird durch die stetige Änderung des Produktportfolios zusätzlich verkompliziert.
Externe Faktoren wie Streiks, geschlossene Häfen, Schiffsunglücke oder geopolitische Auseinandersetzungen können die Versorgungssicherheit empfindlich beeinträchtigen. Handelskriege und Wirtschaftssanktionen stellen weitere Hindernisse dar, die es zu überwinden gilt. Gleichzeitig erhöhen neue Nachhaltigkeitsanforderungen und gesetzliche Regularien den Arbeitsaufwand für Unternehmen erheblich. Die Informationsgewinnung von nachhaltigkeitsrelevanten Daten der Lieferanten erweist sich dabei als besondere Herausforderung.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen globale Lieferketten angepasst werden. Eine Tendenz zur Regionalisierung der Beschaffungsaktivitäten und die Verkürzung von Transportwegen gewinnen an Bedeutung. Zudem rückt die Risikobetrachtung der Lieferanten und Produkte stärker in den Fokus. Transparenz und Datenverfügbarkeit werden zu Schlüsselfaktoren, um beispielsweise die CO2-Kalkulation auf Produktebene durchführen zu können. Die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeentscheidungen wird künftig eine entscheidende Rolle spielen.
Komplexität der vorgelagerten Lieferkette in der Automobilindustrie
Die vorgelagerte Lieferkette in der Automobilindustrie ist extrem komplex. Bei der BMW Group gibt es über 5.000 First-Tier Lieferantenstandorte. Jeder dieser Standorte hat mindestens 15 weitere Standorte in der Second-Tier-Stufe. In der Third-Tier-Stufe gibt es Hunderttausende Standorte. Diese Struktur stellt eine enorme Herausforderung für die Versorgungssicherheit dar.
Der Wandel zum Produktportfolio hin zur Elektromobilität erhöht die Komplexität weiter. Die Produktion von Elektrofahrzeugen und Batterien hängt von seltenen Erden ab. Diese Abhängigkeit von wenigen Lieferanten birgt Risiken für die Versorgungssicherheit.
„Bei über 30.000 Teilen pro Fahrzeug haben OEMs eine große Verantwortung und einen enormen Aufwand bei der Überprüfung von potenziellen Risiken und Menschenrechtsverletzungen in der vorgelagerten Lieferkette.“
Automobilhersteller setzen auf Initiativen zur Zertifizierung. Mercedes-Benz bezieht künftig Batteriezellen nur aus auditierten Quellen. Volkswagen fordert seine Kobaltlieferanten zur Zertifizierung nach OECD-Standard auf. Diese Maßnahmen sollen die Transparenz in der Lieferkette erhöhen und Risiken minimieren.
Einfacher Zugang zur Plattform Catena-X für KMUs
Die Plattform Catena-X wurde für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) ins Leben gerufen. Sie bietet einen einfachen Zugang und unterstützt KMUs, den Anforderungen an Nachhaltigkeit und Transparenz gerecht zu werden.
Initiative | Ziel |
---|---|
IRMA | Effektivste Initiative zur Zertifizierung von Bergbauaktivitäten |
Drive Sustainability | Vereinheitlichung des Prozesses zur Rohstoffzertifizierung |
Catena-X | Einfacher Zugang für KMUs zur Plattform für Rückverfolgbarkeit und Transparenz |
Durch Zusammenarbeit entlang der Lieferkette können Herausforderungen gemeistert werden. So wird eine nachhaltige Versorgungssicherheit gewährleistet.
Auswirkungen externer Faktoren auf die Versorgungssicherheit
Die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten ist für den reibungslosen Ablauf der Produktionsprozesse unerlässlich. Doch externe Einflüsse wie Streiks, Handelskriege und Wirtschaftssanktionen können die Versorgungssicherheit stark beeinträchtigen.
Die deutsche Industrie kämpft derzeit mit einer Produktionseinbuße von etwa 5%. Der Allianz Risk Barometer 2021 zeigt, dass mögliche Verluste und Störungen durch die Coronavirus-Pandemie zu drei zentralen Risiken führen. Diese Risiken müssen von Unternehmen in Deutschland bewältigt werden.
Risiko | Anteil |
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Betriebsunterbrechung | 50% |
Cyber-Vorfälle | 48% |
Pandemie-Ausbruch | 35% |
Streiks, geschlossene Häfen, Schiffsunglücke und geopolitische Auseinandersetzungen
Die Blockade des Suezkanals durch das Containerschiff „Ever Given“ hat zu erheblichen Verlusten von sechs bis zehn Milliarden US-Dollar geführt. Die Schifffahrtsbranche kämpft mit erheblichen Terminverzögerungen durch solche Blockaden.
Die Frachtkosten sind aufgrund von Fabrikschließungen in China, Lockdowns und anderen Störungen stark gestiegen. Dies führt zu Verlängerungen der Lieferzeiten. Vor der Corona-Pandemie im Januar 2019 kostete der Transport eines Containers von Shanghai nach Hamburg 2.000 Euro. Im September 2021 wurde ein Preis von 20.000 Euro aufgerufen.
Handelskriege und Wirtschaftssanktionen beeinträchtigen Lieferketten
Handelskriege und Wirtschaftssanktionen stellen ebenfalls eine Herausforderung für die Versorgungssicherheit dar. Die Knappheit an Halbleitern hat die Automobilbranche weltweit hart getroffen. Dies hat zur Einführung von Kurzarbeit geführt.
Logistikunternehmen diskutieren Maßnahmen, um Risiken zu reduzieren, ohne eine vollständige Rückführung von Unternehmensprozessen ins Inland zu erzwingen.
Um die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu stärken, ist es wichtig, flexibel auf externe Faktoren zu reagieren. Alternative Beschaffungsstrategien müssen entwickelt werden. Eine erhöhte Transparenz und enge Zusammenarbeit mit Lieferanten können helfen, potenzielle Störungen frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen einzuleiten.
Nachhaltigkeitsanforderungen und gesetzliche Regularien
Die Einführung strengerer Nachhaltigkeitsanforderungen und gesetzlicher Vorgaben, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Am 11. Juni 2021 hat der Bundestag ein solches Gesetz verabschiedet. Es verpflichtet deutsche Unternehmen, bei ausländischen Handelspartnern Sorgfalt zu walten. Dies gilt besonders für mögliche Menschenrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Arbeitsrechte bei unmittelbaren Zulieferern.
Die Umsetzung dieser Vorgaben erfordert einen erheblichen Arbeitsaufwand. Unternehmen müssen ihre Lieferketten genau überprüfen. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Lieferanten die geforderten Standards einhalten. Dies betrifft nicht nur deutsche Unternehmen, sondern auch deren ausländische Tochtergesellschaften mit mindestens 3.000 Mitarbeitern.
Fokus auf Menschenrechte und Arbeitsbedingungen
Das Lieferkettengesetz legt einen besonderen Fokus auf Aspekte wie das Verbot von Kinderarbeit und faire Löhne. Bereits 2011 haben die OECD und die Vereinten Nationen Leitlinien für Menschenrechte in Geschäftsbeziehungen eingeführt. Diese Leitlinien richten sich an multinationale Unternehmen und beziehen sich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 sowie die Prinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für menschenwürdige Arbeit.
Jahr | Ereignis |
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2011 | OECD und UN führen Leitlinien für Menschenrechte in Geschäftsbeziehungen ein |
2020 | Nationaler Aktionsplan in Deutschland verfehlt Ziel, 50% der Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern zur Integration von Menschenrechtsaspekten zu bewegen |
2021 | Bundestag verabschiedet Lieferkettengesetz |
Herausforderungen bei der Informationsgewinnung
Eine große Herausforderung stellt die Informationsgewinnung von nachhaltigkeitsrelevanten Daten der Lieferanten dar. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie über die notwendigen Informationen verfügen, um die Einhaltung der Vorgaben zu überprüfen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den Lieferanten und den Aufbau von transparenten Kommunikationskanälen.
Gleichzeitig setzen Unternehmen verstärkt auf Maßnahmen zur CO2-Reduktion, den Einsatz von Sekundärmaterialien und die Nutzung von Grünstrom in der Lieferkette. Diese Nachhaltigkeitsanforderungen gehen oft über die gesetzlichen Vorgaben hinaus und erfordern ein proaktives Handeln der Unternehmen.
„Die Einführung von Lieferkettengesetzen erhöht die Kosten für Unternehmen entlang der Lieferkette aufgrund zusätzlicher Aufwendungen für das Management von Menschenrechtsrisiken. Dies betrifft insbesondere Geschäftsbeziehungen in Ländern mit unzureichendem Schutz der Menschen- und Arbeitsrechte.“
Globale Lieferketten im Wandel
Die Komplexität globaler Lieferketten wächst. Dies führt zu einem Umdenken in der Beschaffungsstrategie vieler Firmen. Eine Tendenz zur Regionalisierung und Verkürzung der Transportwege gewinnt an Bedeutung. Ziel ist es, Risiken zu minimieren und die Versorgungssicherheit zu erhöhen.
Unternehmen setzen vermehrt auf eine diversifizierte Lieferantenstruktur. Sie arbeiten stärker mit regionalen Partnern zusammen. Durch Verlagerung von Produktionsstätten näher an Absatzmärkte können Transportwege verkürzt und Flexibilität erhöht werden. Eine gründliche Risikobetrachtung der Lieferanten und Produkte wird dabei immer wichtiger.
Maßnahmen zur Optimierung der Lieferketten
- Diversifizierung von Lieferanten und Vertriebswegen
- Erhöhung von Lagerbeständen
- Verkürzung von Lieferwegen durch Regionalisierung
- Verlagerung der Produktion näher an die Absatzmärkte
- Erhöhung der Transparenz in der Lieferkette
Auswirkungen des Lieferkettengesetzes
Das Lieferkettengesetz, das 2023 in Kraft getreten ist, stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Sie müssen die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten sicherstellen. Unternehmen, die sich frühzeitig mit den Anforderungen auseinandersetzen, können einen Wettbewerbsvorteil erlangen.
Jahr | Geltungsbereich Lieferkettengesetz |
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2023 | Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitern |
2024 | Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern |
Die Transformation der globalen Lieferketten erfordert ein Umdenken und Anpassung der Beschaffungsstrategien. Durch Regionalisierung, gründliche Risikobetrachtung und Einhaltung gesetzlicher Vorgaben können Unternehmen ihre Widerstandsfähigkeit stärken. So bleiben sie langfristig wettbewerbsfähig.
Transparenz und Datenverfügbarkeit als Schlüsselfaktoren
Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung, und Transparenz sowie Datenverfügbarkeit sind entscheidend für effizientes Lieferkettenmanagement geworden. Unternehmen, die ihre Lieferketten transparent gestalten und nachhaltigkeitsrelevante Daten erfassen, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil. Dies ermöglicht es ihnen, sich von der Konkurrenz abzuheben.
CO2-Kalkulation auf Produktebene wird künftig entscheidend
Die CO2-Bilanz auf Produktebene wird in Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Kunden achten zunehmend auf den ökologischen Fußabdruck eines Produkts. Daher müssen Unternehmen in der Lage sein, die CO2-Emissionen entlang der gesamten Lieferkette zu erfassen und zu optimieren.
Integration von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeentscheidungen
Nachhaltige Lieferketten erfordern die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Vergabeentscheidungen. Neben Preis und Qualität müssen ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Dies ist unerlässlich, um wirtschaftliche, ökologische und soziale Verantwortung zu übernehmen.
Durch die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die Lieferantenauswahl können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Produkte wirtschaftlich, ökologisch und sozial verantwortungsbewusst sind. Dies erfordert enge Zusammenarbeit mit Lieferanten und den Aufbau transparenter Beziehungen.
Fazit
Die Komplexität globaler Lieferketten für Antriebskomponenten wächst. Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen. Externe Faktoren wie geopolitische Konflikte, Wirtschaftssanktionen und Naturkatastrophen beeinträchtigen die Versorgungssicherheit stark. Eine höhere Datentransparenz in den vorgelagerten Lieferketten ist daher unerlässlich.
Nachhaltigkeitsanforderungen und gesetzliche Regularien gewinnen an Bedeutung. Die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in Vergabeentscheidungen und CO2-Kalkulation auf Produktebene sind zukünftig wichtig. Unternehmen müssen erhebliche Ressourcen aufwenden, um diese Vorgaben umzusetzen und Daten von Lieferanten zu gewinnen.
Der Wandel hin zu stärkerer Regionalisierung der Beschaffungsaktivitäten und verkürzten Transportwegen kann Risiken minimieren. Dennoch bleibt die Risikobetrachtung der Lieferanten und Produkte zentral. Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten erfordert Gemeinschaftsleistung und Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen.