
Der niedersächsische Einzelhandel steht im Jahr 2025 durch das Zusammentreffen von technologischen Veränderungen, gestiegenen Energiekosten, Fachkräftemangel und zunehmender Bürokratie vor erheblichen Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnen Digitalisierung und nachhaltige Geschäftsmodelle Chancen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit. Das ist das zentrale Ergebnis der Niedersachsen-Auswertung der bundesweiten „ibi-IHK-Handelsstudie“, an der sich knapp 300 Einzelhändlerinnen und Einzelhändler aus Niedersachsen beteiligt haben.
Digitalisierung als Schlüssel – aber auch eine Herausforderung
Zentrales Thema der Studie ist die Digitalisierung im Handel. Positiv ist aus Sicht der IHK Niedersachsen (IHKN), dass Niedersachsens Handelsbetriebe im Vergleich zu den letzten Jahren verstärkt auf digitale Vertriebs- und Marketingkanäle, insbesondere auf den Google-Unternehmenseintrag, auf Instagram und auf lokale Apps setzen. „Diese digitalen Schaufenster bieten eine relativ kostengünstige Möglichkeit, eine große Reichweite zu erzielen – eine Win-Win-Situation für jedes Unternehmen“, erklärt IHKN-Handelssprecherin Kathrin Wiellowicz. Viele Händlerinnen und Händler fühlen sich aber schlechter auf die weitere Digitalisierung vorbereitet als noch vor einigen Jahren. „Mitunter ist das auf die verstärkte Konkurrenz durch internationale Marktplätze und Drittstaatenhändler wie Shein oder Temu zurückzuführen, die sowohl im Marketing als auch in der Preisgestaltung teilweise sehr aggressive Methoden anwenden. Das verunsichert hiesige Betriebe und bereitet ihnen Sorgen, ob sie mithalten können“, weiß Wiellowicz.
IHKN-Hauptgeschäftsführerin Monika Scherf fordert daher in Richtung Bund und EU: „Es wird höchste Zeit, dass Plattformen aus Drittstaaten verpflichtet werden, nach denselben Regeln wie unsere heimischen Betriebe zu agieren, um Wettbewerbsverzerrungen und ein weiteres Ausbluten unserer Innenstädte zu verhindern. Es kann nicht sein, dass unsere Händler die hohen und wichtigen europäischen Standards einhalten, während asiatische Direktvertriebsmodelle diese fast vollständig umgehen. Sie überfluten den hiesigen Markt mit Billigwaren, die den europäischen Sicherheits- und Umweltstandards kaum bis gar nicht genügen.“
Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie: Die „Baustelle“ IT-Sicherheit und Cybercrime scheint kleiner zu sein als noch im Jahr 2020. Damals gaben 64 % der Handelsbetriebe in Niedersachsen an, von IT-Sicherheitsproblemen betroffen zu sein, im Jahr 2024 sind es nur noch 31 %. Allerdings zeigen die aktuellen Zahlen auch, dass „analoge“ Kriminalität existent ist : Mehr als die Hälfte (54 %) der stationären Händler gibt an, im letzten Jahr von Diebstählen betroffen gewesen zu sein. KI-gestützte Lösungen wie intelligente Videoüberwachung und Echtzeitanalyse könnten helfen, die Sicherheit zu erhöhen und Diebstähle zu verhindern. Allerdings ist es wichtig, dass solche Technologien sowohl datenschutzkonform als auch praktikabel umsetzbar sind, so die Einschätzung der IHKN.
Note mangelhaft: Fachkräftemangel, Bürokratie und steigende Energiekosten
Für 41 % der niedersächsischen Einzelhändler bleibt der Fachkräftemangel eine der größten Belastungen. Bei den größeren Unternehmen sind es sogar 86 %, die den Fachkräftemangel als Belastungsprobe empfinden, während kleine und mittelständische Unternehmen besser aufgestellt sind – auch durch das familiäre Fundament vieler Betriebe, das in Niedersachsens Einzelhandelslandschaft laut Studie rund 63 % ausmacht.
Hohe Energiekosten und bürokratische Hürden stellen die Handelsbetriebe vor weitere Herausforderungen. „Die wachsende Bürokratie gefährdet die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit des Einzelhandels. Besonders kleine Unternehmen kämpfen mit administrativen Anforderungen und steuerrechtlichen Vorgaben, während größere Unternehmen zunehmend unter komplexen Regulierungen wie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz leiden“, erklärt Wiellowicz.
Politische Unterstützung gefordert
„Der niedersächsische Einzelhandel hat das Potenzial, sich den aktuellen Herausforderungen erfolgreich zu stellen. Doch dafür ist es notwendig, dass die Politik jetzt entschlossen handelt: Durch digitale Förderung, Bürokratieabbau und eine faire Wettbewerbslandschaft“, betont IHKN-Hauptgeschäftsführerin Monika Scherf. Die IHKN setzt dabei unter anderem auf gezielte Maßnahmen wie die Wiedereinführung des Förderprogramms „Digital aufgeLaden“, das bis zum Jahr 2022 die Digitalisierung im niedersächsischen Einzelhandel unterstützte. „Solche kleinen Schritte wären ein großes Signal für unsere Händlerinnen und Händler und könnten helfen, den Wandel erfolgreich zu gestalten“, soScherf abschließend.