Statement zur Zukunft der Innenstädte und Ortskerne von Carola Havekost

Statement zur Zukunft der Innenstädte und Ortskerne von Carola Havekost, Geschäftsführerin der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK) für den Bereich Handel
Bild: Carola Havekost, Geschäftsführerin der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK) für den Bereich Handel. Bild: IHK

Statement zur Zukunft der Innenstädte und Ortskerne von Carola Havekost, Geschäftsführerin der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK) für den Bereich Handel

„Spät, aber hoffentlich nicht zu spät führt die Politik auf allen Ebenen eine Diskussion um die Zukunft der Innenstädte und Ortskerne. Ich befürworte ausdrücklich diese Auseinandersetzung über die dramatische Situation in den Zentren in unserer Region.

Inhaltlich ist alles zu den Ortskernen und Innenstädten gesagt. Alle wollen lebendige Innenstädte. Sie sind ein Sinnbild für unsere Stadt oder unseren Ort und stiften Identität. Manche sagen, sie sind das Herz der Stadt und Marktplatz.

Doch wie bei so vielen liegengebliebenen Aufgaben wirkt die Corona-Pandemie auch bei dem Verfall der Innenstädte wie ein Brandbeschleuniger. Denn zahlreiche Branchen in der Innenstadt, allen voran der stationäre Einzelhandel und das Gastgewerbe, dürfen wegen der Pandemie nicht öffnen und wirtschaften.

Jetzt erkennen viele ganz klar, dass oft gedachte Formeln: „Das regelt sich“, „der Einzelhandel wird’s schon richten“, „müssen die Betriebe halt mehr online verkaufen“ oder auch: „kommt ja Geld vom Staat“, nicht funktionieren.

Die Innenstädte werden sich neu ausrichten müssen, sie durchleben einen sehr schmerzhaften Transformationsprozess. Stationärer Einzelhandel wird sicher auch zukünftig noch eine wichtige Rolle für die Innenstadt spielen, und andere Anbieter werden dazu kommen müssen. Das ist alles richtig – nur passiert ist zu wenig. Denn: Wer ist „die Innenstadt“? Wer übernimmt die Verantwortung für „die Innenstadt“?

Im Unterschied zu einem Unternehmen sind für „die Innenstadt“ viele Personen kleinteilig verantwortlich. Jeder Eigentümer, jeder Mieter aus dem breiten Spektrum Gewerbetreibende, Kultur, Dienstleister, Wohnende und jeder den Rahmen schaffende Politiker, Banken, Verbände, Werbegemeinschaften, Stadtmarketing, Gewerkschaften, Kammern, Konsumenten und viele mehr. Jeder verfolgt seine eigenen Ziele und unterliegt Sachzwängen. Wenn die Transformation der Innenstadt schnell erfolgreich sein soll, dann müssen sich alle auf das eine Ziel verständigen und danach handeln. Nur so kann diese Herausforderung erfolgreich gemeistert werden.

Viele verderben den Brei, heißt es. Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir alle begreifen: Es wird eine Vielzahl guter innovativer Lösungen für die Situation benötigt. Es braucht lebende Gesamtkonzepte und Innenstadtstrategien. Und noch viel wichtiger: Diese sind sehr schnell, am besten gleich mit ihrer Entstehung mit viel Konsequenz und Einsatzbereitschaft umzusetzen. Auch das ist hinlänglich bekannt.

Was ist jetzt zu tun? Vor allem müssen wir kurzfristig den drohenden Leerstand abwenden. Dafür brauchen die Gewerbetreibenden schnell die zugesagten Fördermittel. Sie tragen seit Monaten unverschuldet hohe laufende Kosten, ohne Einnahmen zu generieren. Und es braucht kurzfristig planbare Perspektiven für die Öffnung zum Beispiel bei bestimmter Inzidenz, Krankenhausauslastung und unter Vorliegen von Hygienekonzepten. Gerade in Gebieten mit niedriger Inzidenz müssen die Betriebe wieder öffnen können.

Ebenfalls kurzfristig muss für die Zeit nach dem Lockdown ein sicherer Aufenthalt in den Innenstädten gewährleistet sein. Das betrifft die Privatwirtschaft mit ihren bewährten Hygienekonzepten ebenso wie den Bereich des öffentlichen Raums. Verschiedene digitale Lösungen zur Besucherlenkung können dabei helfen. Veranstaltungskonzepte, die Sicherheit garantieren sind weiter zu entwickeln.

Mittelfristige Maßnahmen und langfristige Maßnahmen zur Stärkung der Innenstädte sind hinlänglich bekannt. Die niedersächsischen IHKs haben gerade erst eine Übersicht dazu veröffentlicht. „Zukunft Innenstadt. Chancen und Herausforderungen für Niedersachsens Innenstädte.“ Sie reicht von Konzepten zur Innenstadtentwicklung, gesamtstädtischer Einzelhandelsentwicklung, regionalen Einzelhandelskonzepten bis hin zum immer noch nicht umgesetzten Niedersächsischen Quartiersgesetz, dem möglichen Sonntagsverkauf ohne Anlässe und der Optimierung von Citylogistik.

Das alles erfordert Mut, finanzielle Mittel, schnelle Umsetzungsbereitschaft, Engagement, und sicher Zeit für Austausch, einschließlich transparenter Kommunikation.

Darum muss aus unserer Sicht eine „Task Force“ für die jeweiligen Innenstädte eingerichtet werden, die sich täglich zusammensetzt und die verschiedenen Lösungen konsequent arbeitsteilig umsetzt. Und es braucht die Bereitschaft, finanzielle Mittel dafür in die Hand zu nehmen. Seitens des Landes sind Fördermittel avisiert.

Es ist höchste Zeit, diese Entwicklung, die sich gerade so sehr beschleunigt, zu stoppen!“